Volker Hermes

Maler & Künstler

Seine Leidenschaft als Maler und Künstler gilt der Arbeit an sich, dem Suchen und Erfinden bisher ungesehener Anblicke und Ausblicke.

PV:
Volker, Du bist Künstler, hast an der berühmten Düsseldorfer Kunstakademie studiert, hattest bis heute viele Ausstellungen in Deutschland und hast einige Kunstbücher herausgebracht. Hattest Du bisher Glück oder musstest Du hart kämpfen?
VH:
Ich bezeichne mich immer als das Gegenteil vom „Glückskind“. Ich bin der Arbeiter.
Ich bezeichne mich immer als das Gegenteil vom „Glückskind“. Ich bin der Arbeiter. Ich habe für alles länger gebraucht, weil ich immer zur falschen Zeit am falschen Ort bin. Das ist ein Muster in meinem Leben. Wenn ich auf einer Party bin und nach Hause gehe weil ich müde bin, kommen eine halbe Stunde später die wichtigen Leute. Halte ich durch, weil ich denke, es kommen Wichtige, kommen die alle nicht, weil sie krank sind. Das ist grundsätzlich so, kann man sich dran gewöhnen.
PV:
Du hast unlängst gesagt, dass du über Leidenschaft viel sagen kannst. Was genau?
VH:
Leidenschaft bedeutet, dass man durchhält, dass man für etwas kämpft und dass man auch weiß wofür man kämpft. Das ist nicht immer eine bewusste Tat. Es ist nicht so, dass ich jeden Tag bewusst darüber nachdenke, wofür ich jetzt gerade irgendwie lebe. Es ist eher selbstverständlich. Aber Leidenschaft ist das, was meinen Motor am Laufen hält und mich über die Jahre trägt, wenn es schwierig ist und was mich aber auch genießen lässt, wenn es super ist.
PV:
Gab es für Dich je eine Alternative zur Kunst?
VH:
Nein.
PV:
Verfolgst Du mit Deiner Kunst eine Absicht?
VH:
Ich bin eigentlich immer leichtsinnig und eigentlich auch nie.
Das auf einen Nenner oder in einem Satz unterzubringen ist schwierig. Sicherlich verfolge ich in meiner Arbeit eine Art Forschung über die Malerei und das kennzeichnet meine ganzen Arbeiten, auch über die ganz verschiedenen Themen hinweg. Warum mache ich das? Was ist überhaupt Malerei? Wie funktioniert die? Ich finde Malerei einfach grandios, frage mich aber andauernd, was ist das jetzt? Und letztlich lasse ich den Betrachter daran teilhaben. Die Ergebnisse meines Nachdenkens darüber kommen in meinen Bildern zum Ausdruck. Aber das hat keinen Slogan oder eine Überschrift.
PV:
Gibt es einen roten Faden?
VH:
Ja, das ist das Nachdenken über die Malerei.
PV:
Nicht etwa Humor?
VH:
Na ja, Humor, den hat man in seinen Arbeiten oder man hat ihn nicht. Wenn man ihn krampfhaft reinbringt, dann ist es meistens kein Humor, jedenfalls keiner, der irgendwo ankommt. Ich glaube, dass Humor zu meiner Weltsicht dazugehört. Und deswegen spiegelt er sich auch in meinen Arbeiten wider.
PV:
Als was definierst Du Dich? Als Künstler, kreativer Mensch, Phantast oder Visionär?
VH:
Wenn ich mich irgendwo vorstelle sage ich immer: Ich bin Künstler, schiebe aber sofort hinterher, dass ich Maler bin. Also Künstler, Maler.
PV:
Wie stehst Du zum Kunstmarkt heute?
VH:
Das ist ein weites Feld! Der Kunstmarkt ist das, wovon wir erst mal leben, er existiert. Aber die Formen in denen er existiert sind nicht immer schön und man muss lernen damit umzugehen.
PV:
Was ist das Unschöne am Kunstmarkt?
VH:
Alleinsein ist für mich wahnsinnig wichtig und ich verbringe extrem viel Zeit allein.
Das Unschöne ist, dass das Geld die Motivation ist und dass Kunst nicht immer was mit Geldmachen zu tun haben muss. Aber der Markt fördert die Dinge, mit denen man Geld verdienen kann und das heißt nicht immer, dass das gute Kunst ist. Also nicht immer tief empfundene Kunst oder Kunst, die einen berührt, in welcher Hinsicht auch immer, intellektuell, emotional oder formal. Der Kunstmarkt ist eben ein geldgetriebener Bereich.
PV:
Sollte sich daran etwas ändern?
VH:
Das Gute an der Situation eines bildenden Künstlers ist, dass er die Freiheit hat, sich das Leben so zu gestalten, wie er es für seine Arbeit für richtig hält.
Der Kunstmarkt, das große Rad zumindest, wird ja von einigen wenigen, wichtigen Protagonisten bestimmt und entweder man wird erwählt oder nicht erwählt. Ich finde es durchaus reizvoll, in diesem Markt mitzumachen, wenn man dabei nicht sein künstlerisches Zentrum verliert. Aber das kann leider passieren, weil es sehr attraktiv ist, was dieser Markt zu bieten hat. Allerdings gehöre ich nicht zu denen die fordern, dass man ihn abschaffen sollte. Ich halte den Markt für legitim, weil dort viel Kunst gezeigt und viel ermöglicht wird. An eine Reformierung des Kunstmarktes glaube ich aber auch nicht.
PV:
Es gibt ein Sprichwort, das heißt: „Bei Humor und Unvernunft findet Leichtsinn Unterkunft.“ Kannst Du leichtsinnig sein oder gar nicht?
VH:
Ich bin eigentlich immer leichtsinnig und eigentlich auch nie. Ich glaube, dass ich in meinen Arbeiten immer das gemacht habe, was ich meinte machen zu müssen und das war sehr leichtsinnig, weil es ganz oft überhaupt nicht mit dem konform ging, was gerade angesagt war. Das ist sehr leichtsinnig und unvernünftig sowieso. Ich hätte mir da einiges viel leichter machen können. Aber andererseits bin ich auch überhaupt nicht leichtsinnig, weil ich sehr viel nachdenke, sehr viel nachhorche und nachspüre in mir selber und das ist schon ein langwieriger Prozess.
PV:
Gibt es einen Menschen, ein Buch oder einen Film, der je Dein Leben verändert hat?
VH:
Ach du meine Güte, was sind das für essenzielle Fragen... Ich kann mich an kein Erweckungserlebnis oder ähnliches erinnern, tatsächlich nicht.
PV:
Verbringt Du viel Zeit allein?
VH:
Alleinsein ist für mich wahnsinnig wichtig und ich verbringe extrem viel Zeit allein.
PV:
Belastet das Alleinsein auch mal?
VH:
Überhaupt nicht. Das Gute an der Situation eines bildenden Künstlers ist, dass er die Freiheit hat, sich das Leben so zu gestalten, wie er es für seine Arbeit für richtig hält. Dazu gehört entweder die Einsamkeit, wenn man sie will oder auch nicht, wenn man sie nicht will. Es dauert seine Zeit, das herauszufinden, wenn man aus solchen Zusammenhängen wie der Akademie raus ist und man als Künstler wirklich erwachsen wird und neben jedem Klischee anfängt nachzudenken, was man denn wirklich macht. Wenn man dann herausfindet, dass man sehr gerne alleine ist, dann kann man das auch. Ich brauche sehr viel Zeit für mich und die nehme ich mir auch.
PV:
Hast Du aus Deinem Leben bis heute etwas gelernt?
VH:
Ja, ich habe wahnsinnig viel gelernt. Ich gehe jetzt auf die Fünfzig zu und habe zwar noch keinen Summenstrich gezogen, aber für mich habe ich die Erkenntnis gewonnen, dass viele Wege, die ich bis jetzt gegangen bin, die manchmal sehr viel Zeit gekostet haben und nur dafür da waren, erst einmal Geld zu verdienen, sich als wahnsinnig gute Entscheidungen herausgestellt haben. Plötzlich sind das Bereiche, die für meine heutige Arbeit ganz wichtig sind. Sie tauchen zwanzig Jahre später auf und es zeigt sich, das waren nicht einfach nur Zeitverluste oder Verschwendung von Energie. Heute greift ganz viel ineinander, von dem ich nicht die leiseste Ahnung hatte, dass es wirklich mal ineinandergreifen könnte. Und diese Erfahrung ist ziemlich toll.
PV:
Hast Du da ein Beispiel?
VH:
Nichts läuft von alleine! Ich glaube auch nicht, dass es irgendwann mal von alleine läuft.
Okay, ein Beispiel: Vor vielen Jahren habe ich beim „Gewand“, einer Werkstatt für historische Opern- und Theaterkostüme, gearbeitet. Das war zunächst ein Job, der mein Überleben sicherte, aber er hat mich halt auch interessiert. Deswegen habe ich mich sehr engagiert. Das war durchaus anstrengend und hat viel Energie gekostet, die ich manchmal eben nicht in meine Malerei stecken konnte. Aber ich hatte tiefe Einblicke in ihre Arbeit, konnte viel fragen und bekam viele Antworten. Mein Interesse wurde also noch gefördert. Und jetzt, bei meinen „Hidden Portraits“, kommt mir der Einblick in Kleidung aus verschiedenen Jahrhunderten total zugute. Was vor fünfzehn Jahren vielleicht nur ein Job zum Geldverdienen war ist heute plötzlich wichtig und ich merke wie bereichernd dieser Job war. Diese Erkenntnis hat mein Selbstvertrauen gestärkt. Sich selbst, den eigenen Entscheidungen zu vertrauen, auch wenn sie anfangs nicht den direkten Weg versprechen. Diese ganzen Umwege in meinem Leben haben sich tatsächlich auf irgendeine Art und Weise auch ausbezahlt.
PV:
Musst Du Dich immer noch durchsetzen oder läuft es jetzt von alleine?
VH:
Nichts läuft von alleine! Ich glaube auch nicht, dass es irgendwann mal von alleine läuft. Und wenn man darüber nachdenkt läuft es auch nicht mehr. Ich bin Künstler und ich muss und will arbeiten. Ich will nicht sagen, ich bin jetzt mit irgendeiner Arbeit erfolgreich und jetzt reiße ich die einfach runter, so oft, wie sie gewollt wird...
PV:
Tun ja einige.
VH:
Ja, man sieht es manchen Arbeiten an. Aber ich glaube, dass ich einfach immer wieder neue Arbeiten machen muss. Deswegen: nichts ist selbstverständlich.
PV:
Welche Eigenschaften oder Fähigkeiten gehören zum Künstlerdasein?
VH:
Ich, aus meiner Ecke der Kunstwelt, würde sagen, der Wille zur Erfindung. In der Kunst werden Sachen vollkommen neu erfunden, eine Sichtweise, eine Materialität, eine Kombination, eine Bildfigur. Diese Erfindungen, den Willen zur Erfindung, finde ich sehr wichtig.
PV:
Was ist das Schönste an dem, was Du tust?
VH:
Dass ich es tue, das finde ich ganz wunderbar.
PV:
Und was ist das Schlechteste oder das Negativste?
VH:
Dass das Erfinden im Atelier auch ganz schön wehtun kann und dass natürlich die Rahmenbedingungen nicht immer glücklich sind. Keiner kommt jeden Tag trällernd ins Atelier und sagt: „Es ist so wundervoll ein Künstler zu sein.“ Manchmal ist es eine Quälerei. Manchmal funktioniert künstlerisch einfach nichts und manchmal sind die Umstände einfach hammerhart. Dann ist es halt auch schwer durchzuhalten.
PV:
Wie gehst Du mit Kritik um? Oder lässt Du sie links liegen?
VH:
Nein, überhaupt nicht. Ich glaube, dass jedes Kunstwerk eine Einladung ist darüber zu reden und ich finde es ziemlich toll, wenn Kunstwerke es schaffen, dass die Leute darüber irgendwas sagen. Nichts ist schlimmer als Kunst, die überhaupt nichts auslöst. Ich glaube, Kritik gehört einfach dazu.
PV:
Trifft sie Dich denn auch manchmal?
VH:
Natürlich trifft es einen. Sie trifft einen wenn sie oberflächlich ablehnt. Manchmal trifft sie, wenn sie wahr ist oder wenn sie von jemandem kommt, dessen Meinung man so unfassbar schätzt. Das sind dann Momente der Selbstprüfung. Es kann ja durchaus sein, dass man gerade nicht so eine starke Arbeit gemacht hat. Man selber denkt aber, dass sie es war. Diese Überprüfung ist dann wichtig und deswegen kann Kritik auch treffen.
PV:
Wie kritisch bist Du mit Dir selbst?
VH:
Ich bin wahnsinnig hart, kritisch würde ich es gar nicht nennen, ich bin wahnsinnig hart zu mir selber.
PV:
Bist Du dann trotzdem irgendwann zufrieden?
VH:
Ja, schon. Aber jedes Bild, das existiert, hat mindestens zehn Vorgänger, die schon wieder vernichtet sind. Wenn ein Bild dann überlebt hat das Gründe für mich. Das heißt nicht immer, dass ich es für perfekt halte, aber es gibt einzelne Elemente, die ich wahnsinnig durchschlagend finde oder Arbeiten, von denen ich sage: Okay, das ist möglicherweise da und da nicht gut, aber der Rest ist so wahnsinnig treffend, dass ich es in seiner Unperfektheit doch super finde.
PV:
Du vernichtest Deine eigenen Bilder?
VH:
Ja, andauernd, ganz oft, ständig...
PV:
Welche Rolle spielt für Deine Arbeit das Internet?
VH:
Das Internet ist für einen Teil meiner Arbeit existenziell, weil sehr viel, ich nenne es jetzt mal überzogen Forschungsarbeit, dahinter steckt. Ich wühle mich ständig durch Archive, entweder Bildarchive oder auch Textarchive und betreibe im Vorfeld sehr, sehr, sehr viel Recherche. Mit dem Internet ist es für mich entschieden einfacher geworden an Information zu kommen. Information, an die ich sonst nicht kommen würde, weil sie irgendwo in Amerika oder sonst wo in einem Archiv versteckt sitzt.
PV:
Hat Kunst heute immer noch eine gesellschaftliche Aufgabe?
VH:
Künstler können durch ihre Sicht die Gesellschaft durchaus beeinflussen.
Eine gesellschaftliche Aufgabe oder Bedeutung? Aufgabe…..Na ja, Künstler können durch ihre Sicht die Gesellschaft durchaus beeinflussen. Eben habe ich ja von künstlerischen Erfindungen gesprochen. Die können Diskussionen bereichern oder alternative Wege zeigen, Verkrustungen aufbrechen oder Dinge zuspitzen. Deswegen hat Kunst immer eine Aufgabe. Aber ich würde das nicht so didaktisch sehen, dass jedes Werk gesellschaftlich wirken MUSS. Die Kunst besteht darin in einem Raum, einem Zusammenhang oder auch im Freien zu wirken. Sozusagen im Zwiegespräch mit dem Betrachter. Eine Aufgabe, die man aber nicht generell beschreiben oder definieren kann. Dazu sind die Ansätze in der Kunst zu individuell. Es ist einfach wichtig, dass es sie gibt.
PV:
Hast Du eine Lebensphilosophie?
VH:
Nein.
PV:
Hast Du ein Lieblingswerk, das Du nie verkaufen würdest?
VH:
Nein. Es gibt keine Lieblingsarbeit, nein...
PV:
Wenn heute ein Achtzehnjähriger zu Dir käme und sagt: „Ich möchte gerne Kunst studieren.“ Was rätst Du dem?
VH:
Ich sage: „Na klar, mach.“ Ich glaube zwar, dass Achtzehnjährige heute anders funktionieren als ich als Achtzehnjähriger, aber ich würde immer sagen, mach’s. Ich weiß, dass der Werdegang inklusive der Akademie heute anders ist als bei mir damals. Ich würde deshalb nicht sagen: „Geh hin und mache eine komplette Künstlerkarriere.“ Ich würde ihm sagen: „Geh hin, versuch es, gib alles.“ Was dabei rauskommt weiß man halt nicht.
PV:
Du hast am Anfang gesagt, dass Leidenschaft auch damit zu tun hat, dass man immer für etwas kämpft. Für was kämpfst Du?
VH:
Ich kämpfe für meine Arbeit.
PV:
Für die Sichtbarkeit Deiner Arbeit oder in welcher Hinsicht?
VH:
Ja, die Sichtbarkeit ist ein Punkt. Ich kämpfe dafür, dass ich überhaupt in der Lage bin, das zu machen, weil die Rahmenbedingungen nicht immer einfach sind. Und ich kämpfe darum, dass es gute Arbeiten sind, indem ich lange darüber nachdenke, viele Prozesse durchlaufe und immer wieder neue Ansätze verfolge. Aber kämpfen hört sich so quälend an, auch wenn es das manchmal tatsächlich ist. Ich finde den Begriff arbeiten besser, weil man tatsächlich unermüdlich daran arbeitet. Und deswegen nennen wir Bilder auch Arbeiten. Das ist ein sehr geerdeter Begriff und den finde ich genau richtig.
PV:
Volker, vielen dank für das Gespräch.
 
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