Carsten Breuer

Vergolderei und Rahmenmanufaktur

Carsten Breuer hat zwei Leidenschaften. Die eine lebt er jetzt, die andere vielleicht später.

PV:
Herr Breuer, Sie sind mit großer Leidenschaft Vergolder und betreiben eine eigene Vergolderei. Damit halten Sie einen der ältesten Handwerksberufe am Leben. Wie ist es dazu gekommen?
CB:
In meinem Elternhaus hingen immer wirklich schön gerahmte Bilder, die mich auf diese traditionelle Handwerkskunst aufmerksam gemacht haben. Da ich ein praktischer Mensch bin, kamen für mich eine Banklehre oder ein Studium nicht infrage und so bin ich quasi in die Vergolderlehre hineingerutscht.
PV:
Was bewegt Sie heute mehr, das Handwerk an sich und das Wissen darum wie es geht oder die Schönheit der Schöpfung, die am Ende sichtbar wird?
CB:
Da ich ein praktischer Mensch bin, kamen für mich eine Banklehre oder ein Studium nicht infrage.
Das ist schwer zu sagen. Ich finde das Handwerk total wichtig, weil es eins der wenigen ist, bei dem bis heute mit ganz alten Materialien wie Hautleim und Blattgold und mit ganz alten Techniken gearbeitet wird. Andererseits ist es natürlich superschön am Ende des Arbeitsprozesses dann auch einen wunderschönen Rahmen geschaffen zu haben. Das Endergebnis freut mich, aber ich finde den Weg dahin, weil es ein so altes Handwerk ist, sehr wichtig.
PV:
Wie lange dauert der Weg bis zum fertigen Rahmen?
CB:
Das sind ja spezielle Vergolder-Rahmen, die über Eck gearbeitet sind und die mit echtem Blattgold belegt werden. Ich sage meinen Kunden offen, dass sie mindestens 4 bis 6 Wochen warten müssen, weil immer wieder Trockenzeiten einzuhalten sind, damit im Nachhinein keine Risse entstehen oder Gehrungen aufgehen. Qualität braucht einfach seine Zeit.
PV:
Ist es so, dass Sie vorhandene Leisten vergolden oder fertigen Sie die Leisten selbst auch an?
CB:
Rohleisten kaufe ich zu, Profile, die nur ich anbiete, lasse ich extra anfertigen. Früher haben Vergolder ihre Leisten selber gefräst, das ist heute aber finanziell nicht mehr machbar. Es gibt Firmen, die das noch machen. Aber da es immer weniger Vergoldereien gibt, gibt es auch immer weniger Firmen, die Roh- oder Fertigleisten anbieten.
PV:
Wenn man in Museen die Werke alter Meister betrachtet, stellt man fest, dass zu früheren Zeiten mehr Wert auf die besondere oder passende Gestaltung des Rahmens gelegt wurde. Sehen Sie das auch so?
CB:
Wenn man sich Rahmen in Museen anschaut sieht man natürlich, dass früher viel opulenter gerahmt wurde. Ich glaube, der Geschmack hat sich einfach geändert. Heute legen die Kunden immer noch Wert auf hochwertige Rahmen, die sehen aber schlichter aus. Selbst Museen lassen heute schlichter rahmen. Man sieht in Museen heute oft ganz einfache Holzleisten, weil es natürlich auch eine Kostenfrage ist.
PV:
Zählen Sie auch Museen zu Ihren Kunden?
CB:
Ich selber beliefere keine Museen. Ich weiß aber, dass Galeristen oder Einrahmungsgeschäfte, die bei mir bestellen, meine Rahmen auch schon an Museen geliefert haben.
PV:
Was sind das für Kunden die heute noch Kunstwerke mit vergoldeten Rahmen verfeinern lassen?
CB:
Ich glaube, der Geschmack hat sich einfach geändert.
Querbeet! Zu mir kommt sowohl die Kundin mit einer Postkarte, die vielleicht 4 EURO gekostet hat, ihr aber viel bedeutet und deshalb einen hochwertigen Rahmen für 200 EURO darum arbeiten lässt. Und es kommt der Unternehmer, der ein wertvolles Bild aufwendig rahmen lässt. Aber ebenso der Normalbürger, der sich normalerweise nicht so einen teuren Rahmen kaufen würde, der sich aber sagt, ich will mir was Gutes tun, das Bild liegt mir am Herzen.
PV:
Kommen auch Sammler zu Ihnen?
CB:
Weniger.
PV:
Was machen Sie, wenn Ihre Kunden über den Preis verhandeln wollen oder wenn sie sagen, das habe ich mir aber ganz anders vorgestellt?
CB:
Also preislich kann ich ein bisschen was dran machen, da ist es wie bei allen Sachen. Aber ich merke natürlich, wenn Kunden kommen, die sich schon bei fünf, sechs anderen Vergoldern kundig gemacht haben und den Preis massiv drücken wollen. Zu denen sag ich dann, dass sie zu einem anderen Vergolder gehen sollen. Ich erwarte für meine Arbeit schon ein wenig Wertschätzung. Fair bleiben ist meine Devise.
PV:
Und was machen Sie, wenn jemand sagt: „Nee, so habe ich mir das aber nicht vorgestellt!“
CB:
Man muss sich die Finger dreckig machen wollen.
Das Gute ist, dass ich von allen Rahmen Muster hier habe, dadurch kann man sich schon sehr gut festlegen. Ich hatte mal einen Kunden hier, der hatte sich einen schwarzen Rahmen mit durchgewaschenen Stellen ausgesucht. Als er den Rahmen abholte, sagte er: „Tja, diese Flecken gefallen mir gar nicht.“ Daraufhin nahm er einen Edding und malte die Flecken schwarz. Was zur Folge hatte, dass ich sagte: „Wissen Sie was, ich rahme das Bild aus, Sie nehmen Ihr Bild wieder mit und ich behalte den Rahmen.“ Fertig aus! Wäre es mein Fehler gewesen, hätte ich gesagt: „Oh ich habe nicht daran gedacht, ich überarbeite den!“ Aber so eine Reaktion finde ich grenzwertig.
PV:
Vergolden Sie auch andere Gegenstände?
CB:
Nein, ich mache wirklich nur Bilderrahmen. Ich weiß, andere Vergolder bieten auch an Figuren farbig zu fassen oder zu restaurieren. Ich bin ein Vergolder, ich trau mich an die Sachen ran, die ich gelernt habe und wirklich kann.
PV:
Gibt es für diese hohe Handwerkskunst heute noch genug Nachwuchs?
CB:
Es kommen Anfragen, aber nicht viele. Fairerweise muss ich dazu sagen, dass kaum noch Betriebe ausbilden wollen. Ich genauso wenig. Erstens muss für den Auszubildenden genug Arbeit da sein und zweitens muss es sich ja auch rechnen. Obwohl es natürlich schade ist, dass ich in meinem Ein-Mann-Betrieb keine Zeit für einen Auszubildenden habe.
PV:
Was müsste denn der Nachwuchs an Fähigkeiten und Eigenschaften überhaupt mitbringen?
CB:
Geduld, weil man beim Vergolden wirklich geduldig bleiben muss, man darf nicht hektisch arbeiten. Feinmotorik. Man muss sich die Finger dreckig machen wollen. Vorstellungsvermögen. Ein gewisses Talent zum Zeichnen für Gravuren oder gemalte Ecken ist auch vorteilhaft.
PV:
Und würden Sie heute einem jungen Menschen noch zu diesem Beruf raten?
CB:
Ganz ehrlich? Nur bedingt. So schön der Beruf ist, es ist fast peinlich, das zu sagen, nur weil man mit Gold arbeitet, schwimmt man nicht drin.
PV:
Schade.
CB:
Ja. Es gibt natürlich immer ein paar Vergolder, die besser davon leben können als andere, wie in jeder Berufssparte.
PV:
Wie sieht es bei Ihnen zu Hause aus, ist ihr ganzes Haus oder Ihre ganze Wohnung mit wunderschönen Rahmen bestückt?
CB:
Es wäre falsch zu erwarten, dass bei mir alles golden blinkt und blitzt. Ölbilder, Autogramme und einige Erinnerungsstücke sind natürlich in Vergolderrahmen gerahmt. Genauso gibt es bei mir aber auch Rahmen aus schlichten Naturholzleisten, zum Beispiel um wertvolle originale Kinoplakate. Außerdem habe ich ein Originalautogramm von Diana Ross und den Supremes in einer „Berliner Leiste“ von 1820 gerahmt.
PV:
Sie arbeiten überwiegend alleine, ist das in Ordnung oder fehlt Ihnen manchmal der Austausch oder die Fachsimpelei?
CB:
Also Fachsimpelei habe ich, wenn ich mit den Kollegen telefoniere. Trotzdem wäre es schön noch jemanden dabei zu haben, auch mal zum Quatschen, das gehört ja auch dazu. Aber im Großen und Ganzen komme ich gut klar. Ich bin ja wirklich 10 Stunden am Tag hier, arbeite die ganze Zeit durch und von daher wäre ein Mitarbeiter das eine oder andere Mal „Gold“ wert.
PV:
Bedeutet dieses viel und nonstop arbeiten, dass Sie Ihre Arbeit wirklich lieben?
CB:
Ja, ich mache den Beruf wirklich gern. Ich hatte zwei Sachen in meinem Leben, die ich wirklich schon immer gerne gemacht habe, einmal die Vergolderei, die mache ich ja noch und die Leitung der Lichtburg (dem ehemaligen Kino auf der Kö).
PV:
Sind Sie immer noch Film-Fan?
CB:
Ich gehe liebend gerne ins Kino, das auf jeden Fall. Ich betreibe noch die Erinnerungsseite für die Lichtburg und bin dadurch noch in Kontakt mit Museen, die auf der Suche nach Fotos oder alten Plakaten sind.
PV:
Gibt es zurzeit gesellschaftliche Veränderungen, die Sie gut finden?
CB:
Höchstens, das sich das Umweltbewusstsein der Menschen vergrößert und die damit zusammenhängende Verkehrswende, weg vom Auto hin zum Fahrrad.
PV:
Gibt es Menschen, Bücher oder Filme, die ihr Leben verändert haben?
CB:
Der Film HAIR. Wo immer und wann immer ich den sehe, denke ich „Wow“ und „Yeah“. Der macht mich einfach glücklich. Wahnsinn.
PV:
Gibt es einen Künstler, der Sie beeindruckt?
CB:
Vielleicht ist das jetzt ein bisschen ungewöhnlich, aber mich begeistert vor allem Street Art – die ich natürlich nicht rahmen kann! Banksy finde ich besonders gut und hier in Düsseldorf natürlich die Pacman-Geister.
PV:
Wählen Sie den Rahmen nach ästhetischen Gesichtspunkten zum Bild passend aus?
CB:
Genau. Wenn ich einen Rahmen aussuche achte ich darauf, dass der Rahmen nie das Bild überlagert. Bild und Rahmen sollen eine Einheit bilden, sollen harmonieren, einfach schön sein. Es gibt ja oft Rahmungen, da kommt ums kleinste Bild eine ganz breite Leiste, da erschlägt der Rahmen dann das Bild. So wird es oft verkauft und wenn die Kunden danach zu mir kommen, weil sie unzufrieden sind, dann arbeite ich einen neuen passenderen Rahmen darum.
PV:
Haben Sie eine Arbeitsethik oder eine Arbeitsphilosophie?
CB:
Meine Kunden können sich auf meine Qualität verlassen.
Natürlich, weil etwas, womit ich nicht mit zufrieden bin, niemals meine Werkstatt verlassen wird. Und das ist mein großer Vorteil. Ich habe in den letzten 10 Jahren vielleicht zwei Reklamationen gehabt. Meine Kunden können sich auf meine Qualität verlassen. Vergolder-Rahmen muss man im Endeffekt bei Reklamationen immer neu machen. Man kann nicht irgendwie dran rumpfuschen. Von daher ist es besser von Anfang bis Ende ordentlich zu arbeiten, auch wenn das vielleicht ein bisschen länger dauert. Das ist meine Philosophie.
PV:
Kann man seine Kunden erziehen?
CB:
Geschmacklich vielleicht ein bisschen. Ich gestalte immer wieder neue Muster, die ich an meine Kunden verschicke und mit denen ich für geschmackliche Varianten werbe. Manchmal sagen die Kunden: „Nee, ist nicht unser Fall.“ Was vollkommen okay ist. Andere lassen sich anregen und sagen: „Sieht schön aus.“ Das freut mich dann und ich mache weiter.
PV:
Gibt es jemanden, für den Sie sehr, sehr gerne mal einen Rahmen bauen würden?
CB:
Nein, mir sind alle gleich wichtig.
PV:
Welche Goldart ist Ihre liebste?
CB:
13,6 Karat Weißgold, das ist kein kaltes Weißgold, es wirkt ein bisschen wärmer. Beim Vergolden denken immer alle an Dukaten-Doppelgold, also Gelbgold. Aber von hundert Rahmen sind vielleicht zehn mit Gelbgold vergoldet.
PV:
Hatten Sie je ein Vorbild in Ihrem Leben?
CB:
Ja, meinen Klarinettenlehrer, Herrn Dresen. Er hat mir Disziplin und die Liebe zum Beruf vorgelebt. Ein ganz wichtiger Mensch in meinem Leben!
PV:
Gab es denn handwerklich jemanden, den Sie bewundert haben?
CB:
Ich finde das, was Jim Henson mit den Muppets geschaffen hat, unfassbar toll. Der ist ja wohl auch Handwerker gewesen, wenn wir ehrlich sind, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes.
PV:
Ist die Nachfrage bei Vergoldern abhängig vom Preisniveau des Goldes?
CB:
Für den Endkunden hat der aktuelle Goldpreis keine Bedeutung, das Risiko der Preisschwankungen beim Gold liegt alleine bei mir. Der Goldpreis hat sich für mich im Einkauf von Januar 2019 bis Ende 2020 um 45 % erhöht. Nach eineinhalb Jahren musste ich meine Preise dann auch erhöhen.
PV:
Erwarten Sie eine Renaissance Ihres Berufes in absehbarer Zukunft?
CB:
Ein paar werden überleben, davon bin ich fest überzeugt. Aber die Masse wird schrumpfen. Viele werden aufhören, weil es sich nicht mehr rechnet. Ich habe jetzt noch gut zu tun, besser als in den letzten Jahren, aber das kann sich auch wieder ändern, dessen bin ich mir bewusst. Kein Dreißigjähriger kauft sich heute noch einen vergoldeten Rahmen.
PV:
Das tun nur ältere Menschen?
CB:
Ja. So ab 40 geht das los. Wenn die einmal einen Vergolder-Rahmen gekauft haben, dann bleiben die dabei.
PV:
Das würde bedeuten, dass die aktuell Dreißigjährigen in zehn Jahren unter Umständen einen kaufen?
CB:
Das kann gut sein.
PV:
Würden Sie denn, um Ihr Geschäft zu erweitern, zum Beispiel Urnen vergolden?
CB:
Dafür habe ich gar keine Zeit. Wenn ich hier null zu tun hätte, dann würde ich natürlich auch andere Dinge machen. Ich würde es mal versuchen, ein Muster anfertigen und schauen, ob es gut aussieht. Und dann weiter sehen...
PV:
Können Sie sich vorstellen, noch mal irgendwas ganz anderes zu machen?
CB:
Ja.
PV:
Haben Sie auch schon eine Idee?
CB:
Ich würde sofort wieder ein kleines Kino übernehmen, wie damals die Lichtburg auf der Kö. Ich habe zwar gesagt, dass ich gut alleine arbeiten kann, aber ich liebe auch den Umgang mit Publikum und Gästen.
PV:
Herr Breuer, vielen Dank für das Gespräch.
 
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http://www.vergolderei-breuer.de

 



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