Simone Menne

Aufsichtsrätin und Galeristin

Mit Leidenschaft und Freude am Tun die Macht anzustreben hält Simone Menne für die wahre Vorstellung von Erfolg.

PV:
Frau Menne, Sie gehören zu den einflussreichsten Managerinnen des Landes. Sie kommen gerade von einer Aufsichtsratssitzung, war es Leidenschaft, die Sie so weit nach oben gebracht hat oder Machthunger?
SM:
Leidenschaft war interessanterweise ein Wort, was ich bei einem meiner ersten Managementkurse zur Frage, was mich treibt und treiben soll, auf einen Zettel geschrieben habe. Ich halte Leidenschaft für extrem wichtig. Also würde ich Leidenschaft an erste Stelle setzen, aber es ist durchaus so, dass ich auch gerne Macht habe.
PV:
Hatten Sie Vorbilder?
SM:
Eigentlich nicht. Jedenfalls nicht für so eine Vorstandsposition. Sicher habe ich aber einige Frauen kennengelernt, beispielsweise meine Mutter, die sehr selbstständig waren und die ich dann immer in dem Sinne als Vorbild hatte.
PV:
Haben Sie je die Erfahrung gemacht, in der Männerwelt der deutschen Wirtschaft als Frau nicht ernst genommen zu werden?
SM:
Ja klar. Sie werden regelmäßig auch mal übersehen oder überhört, das ist immer noch so.
PV:
Was zeichnet Sie aus?
SM:
Ich glaube und hoffe Authentizität und Glaubwürdigkeit, so dass die Leute mir auch vertrauen und eine Kommunikation, die viele Menschen verstehen. Ich kann mich auf den Empfänger einstellen und ihm gut klarmachen, worum es geht.
PV:
Warum wird vergleichsweise wenig über die Erfolge von Frauen in der Wirtschaft berichtet?
SM:
Ich habe unendlich viel Spaß daran, Künstler zu fördern.
Es wird ja insgesamt wenig über Erfolge von Frauen berichtet. Das gibt es auch in der Kultur, wenn Sie sich ansehen, über wie viele Komponistinnen reden wir, über wie viele Malerinnen reden wir? Wie häufig haben wir tolle Künstlerinnen, die als Partnerinnen ihrer Männer geführt werden, aber nicht als eigenständige Künstlerinnen? Und das hat alles denselben Grund: es ist immer noch in unseren Köpfen verankert, dass wir mehr auf Männer achten, das sind Stereotypen, auf die wir alle, Männer wie Frauen gleich, reagieren.
PV:
Fängt das nicht bereits bei den Journalisten an?
SM:
Sicher, ja. Die Journalisten haben dieselben Stereotypen. Aber es ist sicher auch so, dass die Kunden der Journalisten, die Leser, im Zweifelsfall auch gerne Heldengeschichten erfahren und nicht so gerne Heldinnengeschichten. Sehr schade.
PV:
Es gab ja schon einige Frauen, die in erfolgreichen oder wichtigen Positionen waren und wir haben eine Kanzlerin. Trotzdem sind Vorstandsfrauen oder Frauen in hohen Positionen relativ schnell wieder weg.
SM:
Ich würde Leidenschaft an erste Stelle setzen, aber es ist durchaus so, dass ich auch gerne Macht habe.
Das stimmt nicht, auch das ist eine verfehlte Wahrnehmung. Interessanterweise hat mich darauf auch neulich jemand angesprochen. Es gibt Statistiken, zum Beispiel die von der AllBright-Stiftung, die besagen, dass sich Vorstandsfrauen länger in ihren Positionen halten als Vorstandsmänner, aber über die, die gehen, wird viel populärer berichtet. Und häufig wird ihr Gehen als Scheitern bezeichnet, obwohl es nicht zwangsläufig ein Scheitern ist. Weder ist Janina Kugel gescheitert, noch bin ich gescheitert, aber auch das wird von den Medien so rübergebracht. Deshalb prägt es sich stärker ein als all die Vorstandsfrauen, die ihren Job machen und schon lange ihre Posten innehaben.
PV:
Bedeutet Leadership für Frauen etwas anderes als für Männer?
SM:
Das würde ich so pauschal nicht sagen. Ich habe schon den Eindruck, dass es Frauen mehr um soziale Macht geht, also häufig um die Sache oder um ihr Team und Männern manchmal mehr um ihr Ego. Aber das ist auch wiederum gemein, weil es ganz, ganz viele Männer gibt, die hervorragende Führer ihres Teams sind. Also von daher eine nicht pauschal zu beantwortende Frage.
PV:
Wer eignet sich heute zum Leader?
SM:
Ist auch super spannend. In der Öffentlichkeit und in Unternehmen sagen wir immer, dass wir Teamplayer brauchen, jemanden, der Mediator ist, der zuhört, aber die Realität sieht anders aus. In der Realität wollen häufig die Mitarbeiter und ganz besonders die Öffentlichkeit immer noch den einsamen Helden, der sagt wo es längs geht und das ist für viele CEO’s ein echter Widerspruch, ein Balanceakt, mit dem sie oftmals ein Problem haben.
PV:
Sie haben mal gesagt, wenn man Ihnen jetzt einen CEO Posten anbieten würde, würden Sie ihn annehmen und das, obwohl Sie gerade eine Galerie eröffnet haben?
SM:
Ich bin in gewisser Hinsicht natürlich eitel. UND natürlich wäre es toll, noch einmal CEO zu sein, weil man als CEO noch mehr gestalten kann als der CFO. Es ist aber nicht realistisch und ich habe das vielleicht vor einem Jahr gesagt. Inzwischen hat sich die Welt weiter gedreht, ich bin jetzt 59, ich habe eine Galerie, ich habe hoch spannende Aufgaben und manchmal denke ich mir; „Möchtest Du Dir diese Politik an der Spitze wirklich noch antun?“
PV:
Ist es die Liebe zur Kunst oder ist der Galeriebetrieb Ausdruck Ihrer Freude am Unternehmertum?
SM:
Weder noch, ich habe unendlich viel Spaß daran, Künstler zu fördern. Ich bin selbst keine Sammlerin, aber ich finde es unheimlich wichtig, dass Künstler, gerade die, die noch nicht bekannt sind, in irgendeiner Form eine Förderung erfahren. Viele Künstler sind nicht unbedingt gute Geschäftsleute und leben daher in manchmal prekären Verhältnissen und es macht sehr viel Spaß Künstler zu finden, sie dann zu entwickeln und ihnen dabei zu helfen mit ihrer Kunst auch Geld zu verdienen.
PV:
Gibt es bestimmte Kriterien, die Sie für sich entwickelt haben?
SM:
Männer sind risikobereiter und Frauen eher auf Sicherheit bedacht.
Ja, es ist schon so, dass die Chemie muss stimmen. Es müssen Werke sein, die ich richtig schön finde, die ich auch wirklich mit Leidenschaft anpreisen kann. Ich habe hauptsächlich Skulpturen und von daher ist auch das Material wichtig und es muss eine Kunst sein, die ich verstehe. Mit Installationen, die ich nicht verstehe, habe ich so meine Probleme. Von daher ist es häufig was Anfassbares, aber durchaus Experimentelles.
PV:
Warum denken Männer häufig, dass Frauen nerven?
SM:
Weil wir anders kommunizieren und weil wir durch die Kommunikation manchmal vielleicht penetrant nachfragen, teilweise auch durch schrille Stimmen oder störende Tonlagen und ich glaube, wir legen manchmal andere Schwerpunkte oder spielen nach anderen Spielregeln. Deswegen nerven wir Männer, weil die sagen: „Sorry, das gehört jetzt hier nicht hierher!“ oder „Das brauchen wir jetzt nicht!“ oder „Das ist zu detailverliebt!“ Ich glaube, dasselbe gilt umgekehrt, wo wir dann zu Männern sagen: „Okay, jetzt wirst Du wieder politisch“. Die Herausforderung besteht darin, dass wir es wirklich es schaffen, uns gegenseitig zuzuhören und zu einem Verstehen zu kommen. Das gilt natürlich immer für diverse Teams aber eben auch für die Geschlechterrollen.
PV:
Wer ist Ihrer Meinung nach im Job sicherheitsorientierter, Männer oder Frauen?
SM:
Nach allem, was Statistiken hergeben, sind Männer risikobereiter und Frauen eher auf Sicherheit bedacht. Christine Legarde hat ja mal gesagt, Lehman Sisters wäre gar nicht passiert und mit ihnen hätte es keine Finanzkrise gegeben. Man braucht aber beide, Menschen, die Risiken eingehen und Menschen, die das Risiko abschätzen und abraten. Wenn ich allerdings nur Leute habe, die auf der Safe-Seite sind, komme ich unternehmerisch nicht weiter.
PV:
Was empfehlen Sie jungen Frauen zu tun, um sichtbar zu werden?
SM:
Herausfordernde Aufgaben übernehmen, aber auch deutlich sagen, was sie können und was sie wollen. Deutlich sagen: „Ich mache jetzt dieses Projekt, ich nehme diese Aufgabe an!“ Das tun Frauen weniger häufig als Männer und Frauen warten häufig drauf, entdeckt zu werden. Da sollten sie lauter sein als Frau und schon mal sage: „Das will ich jetzt gerne machen.“ oder „Ja, ich bin dazu bereit!“
PV:
Sind Sie optimistisch oder pessimistisch, wenn Sie an die Zukunft denken und dabei an die Besetzung von Vorstandsposten in der Deutschen Wirtschaft, was Frauen anbelangt?
SM:
Optimistisch. Ich war allerdings auch schon vor zwei Jahren optimistisch, als ich viel zu früh eine CEO vorausgesagt habe. Aber wenn wir sehen was sich dieses Jahr getan hat, wir haben eine CEO im Deutschen Dax, wir haben auch in Unternehmen, die bisher sehr männerlastig waren wie beispielsweise Zalando oder Xing, Frauen in den Aufsichtsräten, dann gibt es bald so einen Tipping-Point, von dem aus es normal wird. Ich bin da weiterhin optimistisch.
PV:
Reicht die Vorstellung, nach oben zu wollen aus oder braucht es ein definiertes Ziel?
SM:
Es braucht kein definiertes Ziel, aber es reicht auch nicht einfach zu sagen: „Ich will nach oben!“ Also, das ist sicher, man braucht ein gewisses Machtstreben, man braucht sicher auch gute Kommunikationsfähigkeiten und eine gewisse Resilienz. Auch das ist vielleicht gemein, aber Menschen, die sehr sensibel reagieren, haben natürlich viel schneller Stress oder einen Burnout oder die Sorgen, die man auf einem Vorstandsposten auch gern mal wegdrückt. Ich glaube, Politiker und Unternehmensleiter sind häufig Menschen, die ein dickeres Fell haben.
PV:
Haben Sie eine Arbeitsroutine?
SM:
Ich hatte sicher eine, als ich noch wirklich operativ gearbeitet habe, wobei mich dabei wirklich gestört hat, wie fremdgesteuert ich war. Momentan habe ich keine Arbeitsroutine, was der Tatsache geschuldet ist, dass ich unterschiedliche Mandate habe, Vorträge halte, manchmal auch etwas schreibe. Manchmal leide ich darunter, dass ich keine Routine habe, manchmal finde ich es aber auch ganz toll.
PV:
Wie wichtig ist es, im Job eine eigene Meinung zu haben und unabhängig zu denken?
SM:
Massiv wichtig. Jedenfalls war es das immer für mich. Sagen zu können: „Da mache ich jetzt nicht mit, hier stimme ich nicht zu.“, und nicht abhängig zu sein von Rentenansprüche, bestimmten Menschen oder bestimmten Umständen beziehungsweise Privilegien. Wenn man diese Unabhängigkeit nicht hat, kann man nicht mehr richtig entscheiden. Also für mich eine ganz wesentliche Voraussetzung.
PV:
Wie oft wird ein Nein von Frauen akzeptiert?
SM:
Das kommt wiederum auf die Form des Neins an. Mein Nein wurde immer akzeptiert. Es muss gut argumentiert werden und man muss sehr klar wissen, warum man Nein sagt. Das Gute ist, wenn man das weiß und unabhängig ist, dann bleibt man auch beim Nein und es bleibt den anderen nichts anderes übrig, als das zu akzeptieren. Natürlich gibt es Situationen, wo Frauen über-gangen werden, die Nein sagen. Ich kann da nur wirklich empfehlen, sich vorher sehr klar zu machen, willst du Ja oder Nein sagen und begründe es. Dann fällt es leicht strikt zu bleiben.
PV:
Wenn Sie mal einen Rat brauchen, wohin gehen Sie?
SM:
Sehr unterschiedlich, ich gehe immer noch gerne zu meiner Mutter. Ich bin allerdings auch jemand, der sehr viel mit sich selbst ausmacht, was manchmal nicht gut ist. Ich überrasche Menschen dann mit meiner Entscheidung. Die sagen dann: „Das haben wir so nicht wahrgenommen, Du hast doch bisher nie etwas gesagt.“ Von daher bin ich eher unabhängig und frage selten um Rat, was nicht immer gut ist.
PV:
Gibt es jemanden mit dem Sie gerne tauschen würden?
SM:
Mhm, gute Frage. Ein großer Wunsch wäre vielleicht so jemand wie Anne-Sophie Mutter oder Igor Levit zu sein. So ein großartiger Musiker, einfach, um mal zu spüren, wie sich das anfühlt so ein Talent zu haben und die Leute mit Musik zu begeistern. Ich kann mir so gar nicht vorstellen, was dieses Talent bedeutet und ich fände es ganz großartig, vielleicht nicht jeden Tag, aber für einen Tag mal so zu sein, das fände ich toll.
PV:
Haben Sie einen Rat für junge Menschen, die es sich zum Ziel gesetzt haben Vorstand zu werden?
SM:
Es braucht kein definiertes Ziel, aber es reicht auch nicht einfach zu sagen: „Ich will nach oben!“
Auf keinen Fall sich im Vorstandsstab angepasst nach oben schleimen. Das ist eine falsche Vorstellung. Auch als Vorstandsassistent wird man nicht automatisch Vorstand. Wenn jemand diese Aufgabe machen will, muss er sich darüber klar werden, wo seine Stärken sind, wo seine Schwächen sind. Das heißt, dieser Jemand muss Positionen einnehmen, wo er herausfinden kann, was er gut kann und was nicht. Er muss Menschen kennenlernen wollen, weil ein Vorstand authentisch mit Menschen umgehen können sollte und ich glaube, er sollte Menschen mögen. Sie können kein guter Vorstand sein, wenn Sie Menschen nicht mögen, denn Sie wollen ja mit diesen Menschen etwas bewegen. Also Projekte und verschiedene Aufgaben annehmen, sich ausprobieren und sich immer gut selbst reflektieren. Das tut man am besten, in dem man Menschen zuhört und eben nicht selber alles besser weiß.
PV:
Dankeschön!
SM:
Was mich gefreut hat, ist, dass Sie nicht gefragt haben, wie fühlt es sich eigentlich an als einzige Frau unter Männern? Diese Frage kann ich nicht mehr hören.
 
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https://www.galerie-simonemenne.de/

 



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