Lutz von Rosenberg Lipinsky

Kabarettist, Künstler, Schriftsteller

Sein Beruf ist seine Leidenschaft, weil er nur da seiner ganzen Persönlichkeit Ausdruck verleihen kann. Das wäre wohl in kaum einem anderen Beruf so gut möglich.

PV:
Entstammen Sie tatsächlich einem alten Adelsgeschlecht?
LR:
Ja! Wobei Geschichte natürlich immer auch aus Rekonstruktion besteht... Aber soweit man weiß, kommt die Familie Rosenberg aus Böhmen, ist dort im 30-jährigen Krieg ausgestorben, weil die beiden Ältesten keine Söhne bekommen haben. Der dritte, jüngere Bruder wiederum hatte sich aber als Soldat verdingt, ist dafür in Polen mit Land beschenkt worden und hat sich dort niedergelassen. Eine spätere Heirat mit der Familie Lipinsky hat dann zu diesem obskuren Doppelnamen geführt. Seit dem zweiten Weltkrieg gibt es aber weder Bedeutung noch Besitz.
PV:
Wie wird einer Kabarettist, der Theologie studiert hat?
LR:
Die Reihenfolge ist nicht ganz richtig. Ich habe schon zu Schulzeiten mit dem Kabarett angefangen, in einer christlich geprägten Jugendgruppe, in einer Gemeinde, die kreativ und politisch aktiv war. Wir reden hier von der Friedensbewegungszeit, Nachrüstung, da war natürlich ein Großteil des jungen, christlichen Publikums auch involviert. Insofern gab es für mich keine thematische Trennung, sondern die christlich geprägte Jugendgruppe war Ursprung und Sprachrohr. Das anschließende Theologiestudium war eher der verzweifelte Versuch, meiner Mutter einen seriösen Beruf zu präsentieren. Ich habe mir über die Jahre wirklich Mühe gegeben, aber irgendwie wusste ich immer, dat wird nix, also ich und die Institution grundsätzlich.
PV:
Wollen Sie mit dem, was Sie tun, etwas bewirken oder bewegen?
LR:
Ich habe für mich selber mal beschlossen, dass folgendes auf meinem Grabstein stehen soll: Er war nicht zum Vergnügen hier.
Mit Sicherheit. Der grundsätzliche Antrieb in der Kunst ist natürlich immer Egozentrik. Also frage ich als Erstes nicht, was kann ich mit und bei anderen Menschen verändern, sondern als Erstes habe ich das Gefühl: Da muss was raus und - ich bin was Besonderes. Das muss ich ganz klar so markieren. Mit der Zeit und mit fortschreitendem Alter ändert sich das natürlich. Ich sage das deshalb, weil wir im Augenblick mit einer jüngeren Comedy-Generation zu tun haben, bei der das anders ist, die tatsächlich von vorne herein kalkuliert und berechnet, welche Provokationen man setzen muss, um in der Presse stattzufinden. Da geht es dann nur um Aufmerksamkeit und Geltungs-bewusstsein. Zurzeit ist die gesamte Gesellschaft ja aufgebracht oder hysterisch. Meiner Auffassung nach wird aber eigentlich von unserem Metier etwas Anderes verlangt, nämlich, dass wir tatsächlich wieder mehr bewegen können und müssen. Leute, die heute in eine Kabarettvorstellung gehen, erwarten dort „ordentlich recherchierte Wahrheiten“. Im Augenblick ist es so, dass der Kabarettist für viele Menschen sogar die Funktion eines Pastors übernommen hat, weil er Moral und Haltung zu verkünden hat. Sehr spannend. Ganz neue Herausforderung.
PV:
Wo sitzt Ihre Leidenschaft?
LR:
Körperlich? Haha. Die Leidenschaft ist gleichzeitig mein Defizit. Also ich bin weder ein Intellektueller, noch bin ich ein Spieler, noch bin ich warmherzig, also im Sinne von ausschließlich, sondern es ist genau die Kombination. Hans Dieter Hüsch hat das mal bezeichnet als „interkulturellen Beruf“. Das finde ich sehr treffend. Ich habe an der Universität gemerkt, ich bin zu reinem intellektuellem Leben nicht imstande, ich denke zu intuitiv. Reines Schauspiel war mir aber wiederum zu blöd, da muss man immer Anweisungen befolgen. Daher ist die Vielfalt, die ich in meinem Beruf leben kann, auch meine Leidenschaft. Ich kann politisch sein, ich kann rational sein, ich kann auch verrückt sein oder mitfühlend. Und ich kann artikulieren, ich kann vortragen, aber ich kann auch spielen und darstellen oder rumalbern - das macht es für mich so perfekt. Das wäre wohl in kaum einem anderen Beruf so gut möglich.
PV:
Allenfalls als Politiker.
LR:
Ja, Politiker übernehmen inzwischen viele unserer ehemaligen Funktionen.
PV:
Identifizieren Sie sich mit jemandem oder mit etwas?
LR:
Es hat Prägungen gegeben, das ist ganz klar. Das ist aber auch normal und diente auch eher der Selbstfindung. Eine Identifikation mit Themen oder mit Bewegungen gibt es in meinem Leben immer nur punktuell und phasenweise.
PV:
Gibt es ein Werk oder einen Menschen, der Ihr Leben verändert hat?
LR:
Mehrere. Eine sehr prägende Figur aus den ersten Jahren war tatsächlich ein Pfarrer, Pastor Klaus Vollmer, der als Evangelist gearbeitet hat, ein echter Missionar, der in Norddeutschland sehr viel rumgefahren ist, gepredigt und Vorträge gehalten hat. Der ist eine unglaublich inspirierende Person für mich gewesen, mit politischem und intellektuellem Inhalt, der Spaß hatte an jeder Form von Auseinandersetzung. Diese Lust am Streiten habe ich bis heute mitgenommen. Künstlerisch ist es erstmal Hans Dieter Hüsch gewesen, der mich über lange Jahre sehr geprägt hat mit dem schönen Melancholischen und Liebevollen. Gleichzeitig ist er aber immer sehr klar und sehr präzise mit Sprache umgegangen. Er hat, wenn man so will, auch Literatur in unserer Branche implantiert. Vor allem dank ihm gibt es ein Sprach-Spektrum und nicht nur diese pointierte, oftmals karnevalistisch geprägte Sprache.
PV:
Wer noch?
LR:
Natürlich gibt es und gab es immer wieder Künstlerkollegen, die ich bewundert habe und schätze: ein Werner Finck, ein Martin Buchholz, ein Georg Schramm, ein Josef Hader. Mit denen habe ich mich sehr intensiv beschäftigt. Und über allen thront der Herrscher der deutschen Sprache, Karl Kraus.
PV:
Welches aktuelle Thema nervt Sie?
LR:
Ehrlich gesagt nervt mich im Moment nahezu die gesamte öffentliche Diskussionsweise, die nur noch Fortschritte und Lösungen zu verhindern scheint.
Ehrlich gesagt nervt mich im Moment nahezu die gesamte öffentliche Diskussionsweise, die nur noch Fortschritte und Lösungen zu verhindern scheint. Das fällt ja auf bei den beiden großen aktuellen Themen, erstens der Trennung von konservativ und rechtsradikal. Diese aberwitzige Diskussion darüber, dass man jetzt doch mal toleranter werden müsste gegenüber Menschen von rechts außen, um sie in den demokratischen Diskurs reinzuholen. Das nervt mich kolossal – und das hatten wir vor 30 Jahren genauso. Die Konservativen lernen an dieser Stelle einfach leider nicht dazu. Dasselbe gilt auch für die andere Diskussion um Umweltpolitik und Klimawandel, auch die hatten wir vor über 30 Jahren schon. Nur, weil wir damals Alarm geschlagen haben und 100.000de Leute demonstriert und ihren Willen zum Ausdruck gebracht haben, ist etwas passiert und es gab Fortschritte. Heute haben wir sogar eine verschärfte Situation. Aber es wird junge Frau wie Greta Thunberg öffentlich von Profipolitikern diskreditiert und angemacht und der Jugend wird Dummheit unterstellt. Oder man nennt das Ganze „Angstbewegung“. Also, das macht mich ziemlich sprachlos.
PV:
Warum gibt es keinen Protest in unserer Gesellschaft? Worüber wird zu wenig gesprochen?
LR:
Vielleicht darüber, wie wir tatsächlich wieder ein gesundes Verhältnis zu Mehrheits- und Minderheitsverhältnissen bekommen können. Wie wir es schaffen können, wichtige Entscheidungen gesellschaftlich zu treffen und umzusetzen, anstatt uns zu paralysieren. Die Trägheit des politischen Systems beherrscht alles. Es wird im Vorfeld viel zu viel abgestimmt, es werden zu schnell Kompromisse gefunden und hinterher wird darüber gesprochen, als hätte keiner sie wirklich gewollt und alle distanzieren sich. Diese Trägheit ist für mich ein echter Wutstifter, denn alle haben das Gefühl, dass sie nichts mitzureden haben und das, was dabei rauskommt, nicht zufriedenstellend ist. Ganz abgesehen davon, dass es hinterher keiner gewesen sein will. Das ist ein Verhalten, das nicht funktioniert. Wir brauchen schon ein bisschen mehr.
PV:
Was ist für Sie das vollkommene irdische Glück?
LR:
Ein klarer Heimsieg gegen Bayern München. Ein Tag auf Island. Oder ein Konzert von Echo & The Bunnymen.
PV:
Wie waren Sie, als Sie 15 waren?
LR:
Spießig, da ich konservativ, gut bürgerlich erzogen worden bin und sehr preußisch, sehr protestantisch. Mein Vater hat noch sehr auf die Umsetzung aristokratisch-adliger Benimmformen geachtet. Meine Mutter war sowieso extrem defensiv und zurückhaltend. Sie hat nie irgendetwas von irgendwem gefordert, sondern immer eher noch etwas hinterhergetragen. Das alles hat mich schon zu einem Pullunderjungen mit Seitenscheitel gemacht, der keinen besonderen Eindruck hinterlassen hat. Außer in Bezug auf die Benimmregeln!
PV:
Mit der Lebenserfahrung, die Sie heute haben, was würden sie 15- bis 18-Jährigen raten, wie sie ihr Leben angehen sollten?
LR:
„Eine sich immer wiederholende, enttäuschte Liebe“, das beschreibt mein Verhältnis zur Menschheit insgesamt ganz gut.
Ich habe ja nun selber zwei Kids in dem Alter. Die größte Herausforderung hatten wir seinerzeit nicht: Die gesamte Digitalisierung. Diese Reize, diese Ablenkung, damit befinden wir uns in einem ganz schwierigen Prozess. Ich bin da nicht pessimistisch, aber das würde ich raten: Achtet auf ein Leben außerhalb der digitalen Welt, denn das gilt es tatsächlich zu beschützen, zu pflegen und zu fördern. Wenn es keine Vernetzung mehr gibt im eigenen Kopf, dann wird’s dramatisch. Das geht leider auch sehr schnell, weil die Befriedigung, die die digitale Welt bietet, extrem schnell ist und immer verfügbar. Da ist es umso wichtiger zu sagen, ich fahre Kanu, ich gehe in einen Musikclub oder ich hänge einfach nur mit meinen Leuten irgendwo an einer Straßenlaterne ab, je nachdem, wo man wohnt oder was man für Möglichkeiten hat. Der soziale Kontakt bleibt das Wichtigste. Mit-Menschen. Wir brauchen einander. Und in der Gruppe entwickeln sich Interessen, Kompetenzen, Talente. Nehmt Euch dafür Zeit!
PV:
Von welcher Eigenschaft oder Fähigkeit haben Sie zu viel?
LR:
Letzten Endes, glaube ich, Empathie. Das ist auch eine Berufsgrundlage – Stimmungen zu spüren. Davon habe ich zu viel, denn über die Wahrnehmung der Bedürfnisse anderer vergesse ich schon mal meine eigenen zu beachten und den eigenen Willen zu bekunden.
PV:
​​​War das schon immer so?
LR:
Ja. Wie bewusst mir das war, ist noch mal was Anderes. Meine Geschwister sind auch so. Also, immer viel zu sehr bemüht, objektiv zu sein. Sich zu fragen, was ist jetzt das allgemein Beste oder sich systemisch einzubringen, aber nicht wirklich subjektiv auf den Tisch zu hauen und zu sagen, das möchte ich jetzt aber, Mensch.
PV:
Welches Motto oder welchen Gedanken können Sie am leichtesten folgen?
LR:
Ich habe für mich selber mal beschlossen, dass folgendes auf meinem Grabstein stehen soll: Er war nicht zum Vergnügen hier. Aber das ist weiß Gott kein Lebensmotto, sowas habe ich tatsächlich nicht. Dazu ändert sich alles immer viel zu schnell im Leben. Und Leitmotive können dann später Andere feststellen.
PV:
Brauchen die Menschen heute ihrer Meinung nach eher mehr Beruhigung oder mehr Provokation?
LR:
Definitiv Beruhigung. Also gerade in den letzten drei oder vier Jahren beobachten wir ja, was für eine Daueraufregung vorhanden ist. Ich habs ja eben schon angesprochen, dass die Bühnenkunst inzwischen eher eine beruhigende, seelsorgerische Funktion übernimmt. Noch mehr Aufregung, glaube ich, braucht kein Mensch. Das führt alles zu gar nichts, außer zu Panikzuständen, Schnappatmung und Ängsten, die nur manipulations-anfällig machen.
PV:
Ist Kunst heute noch ein probates Mittel, um Menschen aufzurütteln?
LR:
Ich glaube mehr denn je, denn Kunst verschafft eben Zeit zum Nachdenken. Sie hat schon mal grundsätzlich diesen Faktor, dass der Künstler Zeit hat und sich Zeit nimmt für Dinge, für die die meisten keine haben. Kunst hat auch immer den Charakter von Luxus. Es ist wichtig, dass es den Raum dafür gibt. Und das Geld!
PV:
Gibt es eine bestimmte Gruppierung, die Sie mit ihrer Arbeit erreichen wollen?
LR:
Tatsächlich nicht. Das verändert sich auch im Laufe der Jahre. Ich hab mal ein Programm zum Thema Fußball gemacht, ist ja klar, wer da kommt. Aber es kamen auch deren Frauen, die mal ordentlich darüber ablachen wollten. Dann hab ich mal ein Programm gemacht zum Thema Singledasein, da sassen wenig glückliche Paare im Publikum. Jetzt hab ich drei Programme zum Thema Ängste gemacht. Da habe ich meist ein gut bürgerliches Publikum, das wie ich oft fortgeschrittenen Alters ist. Es ist nicht so, dass ich das gezielt aussuche oder fördere, sondern das sind auch meine Themen, die das bestimmen. Mal abgesehen davon, wer überhaupt noch ins Theater geht, habe ich aber meist ein Publikum gefunden. Und gibt es auch Zuschauer, die mich seit Jahrzehnten begleiten.
PV:
Sind Sie ein hoffnungsloser Optimist oder wie würden Sie sich beschreiben?
LR:
Ich bin ein Misanthrop, der nicht aufgibt, weil er hofft, diese Einstellung überwinden zu können, weil die Liebe zu groß ist. „Eine sich immer wiederholende, enttäuschte Liebe“, das beschreibt mein Verhältnis zur Menschheit insgesamt ganz gut.
PV:
Wo sehen sie sich in 20 Jahren?
LR:
Genussfähigkeit zu entwickeln, ist für mich tatsächlich als preußisch-protestantisch geprägtem Menschen sehr wichtig gewesen.
Also ich hoffe nicht, dass es mir widerfahren wird, dass es im Alter wirklich schwierig wird, weil man nicht mehr auftreten kann, aber auftreten muss. Wenn man über künstlerische Berufe redet, muss man zwangsläufig auch übers Geld sprechen. Eigentlich müsste wir alle das offensiver tun, als wir es machen. Die Produktionsbedingungen sind härter geworden in den letzten Jahrzehnten. Man merkt einfach, dass immer mehr Leute sich immer mehr vom Kuchen nehmen und manchmal der Künstler, der eigentlich im Mittelpunkt sein sollte, im Alter mit kurzer Hose dasteht und selbst dann noch öffentlich auftreten muss, obwohl es weder ihm noch anderen Freude macht. Ich hoffe, dass mir das nicht passieren wird. Neben meinen Soloprogrammen moderiere ich daher auch, führe Regie und habe begonnen, für andere zu texten. Ich habe mein erstes Buch geschrieben, nächstes Jahr kommt das Zweite raus. Außerdem habe ich zwei Theaterstücke verfasst im letzten Jahr. Da sehe ich mich in 20 Jahren, nicht mehr im Auto oder im Intercity irgendwo zwischen Remagen, Stuckenborstel und Windisch-Eschenbach, immer darauf hoffend, dass der Anschluss kommt – und dann auch noch Zuschauer. Sondern schreibend, was auch meinem Kindheitstraum entspricht. Ich wollte Schriftsteller werden, nicht Komiker, Theaterschauspieler oder sonst was. Ich wollte schreiben. Und es könnte ja sein, dass sich da ein Kreis schließt. Das wäre schön.
PV:
Sind sie lustig?
LR:
Ja, das schon. Im Kern meiner Persönlichkeit bin ich zwar ein ernsthafter und auch leicht melancholischer Mensch, aber ich hatte immer eine große Albernheit als Ventil. Im Laufe des Lebens habe ich mir aber auch eine größere, gründlichere Heiterkeit zugelegt. Die hat damit zu tun, dass man sich abarbeitet – und irgendwann merkt, wie Vieles im Leben furchtbar ist und sich dennoch nicht ändern lässt. Andererseits sind viele Dinge einfach wunderschön und kommen nur dadurch zur Geltung, dass man sie genießt, einfach im Wald sitzt, unabhängig vom sauren Regen. Genussfähigkeit zu entwickeln, ist für mich tatsächlich als preußisch-protestantisch geprägtem Menschen sehr wichtig gewesen. Zu sagen, ich trinke jetzt einfach ein schönes Glas Wein, auch wenn ich gleich auftreten und arbeiten muss, es ist schön, mir ist gerade danach. Das sind für mich echte Gewinnmomente.
PV:
Wie arbeiten Sie? Machen Sie Pläne im Sinne von, ich denke mir jetzt ein Thema aus oder lassen Sie es kommen?
LR:
Das Tollste aber ist, dass die Leute deinetwegen kommen, weil dein Name auf diesem Programm steht.
Eher Ersteres. Das Arbeitsfeld ist ja relativ komplex, das heißt, ich habe tatsächlich auch immer einen administrativen Büroteil, indem ich organisieren und gucken muss, ob alles richtig läuft, mit welchen Veranstaltern, welchen Journalisten müssten wir mal wieder reden, gibt es da einen Kontakt. Von der Buchhaltung ganz zu schweigen. Was die rein künstlerische Arbeit angeht, ist sie projektorientiert. Ich überlege mir ein neues Programm, Thema und Titel, bespreche und diskutiere das und erst, wenn das fix ist, beginne ich zu schreiben. Ich gehöre zu denjenigen, die wirklich alle zwei bis drei Jahren eine komplett neue Show hinstellen und nicht irgendwie mit Material arbeiten, das sie schon hatten, irgendwelche Nummern, die alle schon seit zehn Jahren kennen, sondern jedes Stück ist neu. Das gilt auch für meine Regiearbeiten. Am Ende will ich was zeigen, was noch kein Mensch so gesehen hat. Das ist mir schon ganz wichtig.
PV:
Würden Sie ihren Beruf jungen Menschen empfehlen
LR:
Absolut! Weil es eine wunderbare Möglichkeit ist, selbstständig zu sein, also den Kopf oben zu behalten und sich nicht irgendwelchen politischen oder wirtschaftlichen Zwängen dauerhaft unterordnen zu müssen. Ich bin immer frei gewesen, kann da auftreten, wo es mir gefällt und wenn es Probleme mit einem Veranstalter gibt, dann suche ich mir halt einen anderen. Das ist schon...
PV:
...ein hohes Maß an Selbstbestimmung.
LR:
Ja! Das ist wahnsinnig viel Wert, dass man sich selber ausdrücken kann und, wenn man es nicht ganz falsch macht, auch dauerhaft ein Publikum erreicht, mit eigenen Themen und seiner eigenen Art und Weise. Das Tollste aber ist, dass die Leute deinetwegen kommen, weil dein Name auf diesem Programm steht. Insofern kann ich meinen Beruf nur empfehlen.
PV:
Was sind die zentralen Qualitäten, die man dafür mitbringen müsste?
LR:
Zuerst: man darf nicht ganz blöd sein. Nicht im Sinne von, man muss auf der Bühne ein wahnsinnig intellektuelles Programm machen, sondern im Sinne von, man muss schon ein bisschen strategisch denken können, wenn man länger da sein will, sollte man imstande sein zu antizipieren, was die Gesellschaft an Themen bewegt oder auch bewegen könnte, weil man idealerweise ja voraus- und nicht nacharbeitet. Das Zweite, was man braucht, ist eine große Leidenschaft für das Spiel. Auch die Kollegen, die einfach nur dastehen und vortragen, haben im Kopf einen Clown und sind alle total albern. Mancher zeigts halt, mancher nicht, aber die Bereitschaft muss da sein. Auch, weil es Situationen im Saal gibt, die nicht zu kontrollieren sind. Das Dritte, was man definitiv braucht, ist große Härte zu sich selbst. Es ist ein Knochenjob.
PV:
Härte im Sinne von Disziplin oder was?
LR:
Ja, weil es anstrengend ist, so viel rumzufahren und klimatisch, wie räumlich den schlimmsten Bedingungen ausgesetzt zu sein. Man kann nichts machen, wenn der Zug nicht kommt und man bei windigen minus 12° irgendwo in Hessen steht und wartet. Du kannst nichts tun. Es gibt keinen Bahnhof mehr in Babenhausen. Und schon gar kein Café, dass am Montagmorgen um 10:00 h geöffnet hätte. Alles, was Du tun kannst, ist frieren. Das muss man aushalten.
PV:
Vielen Dank, Herr von Rosenberg Lipinsky, für das Gespräch.
 
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http://www.von-rosenberg-lipinsky.de/

 



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