Angelika Jacobi

Stiftungsmanagerin

Schon immer war es ihr ein Anliegen Wirkung unternehmerisch zu gestalten. Heute leitet Angelika Jacobi die PATRIZIA Foundation, die weltweit Kindern und Jugendlichen Zugang zu Bildung ermöglicht, indem sie Bildungsinfrastruktur zur Verfügung stellt.

PV:
Wir haben den Eindruck, dass alles, was du tust, du engagiert und leidenschaftlich machst. Wofür brennst du genau?
AJ:
Für das Thema Gemeinnützigkeit. Es bringt eine große Tiefe in meinen beruflichen Alltag, denn am Ende jeden Tages weiß ich mit allem was ich tue, dass ich Kinder und Jugendliche im Bereich Bildung unterstütze. Das ist ganz sicher eine intrinsische Motivation, die ich nach langer Suche für mich gefunden habe.
PV:
Hattest du Vorbilder?
AJ:
Früher hatte ich hier keine Vorbilder, heute ist es Bill Gates.
PV:
Gab es je einen Menschen, ein Buch, einen Film, der dein Leben verändert hat?
AJ:
Ganz sicher haben meine Kinder mein Leben verändert, gar keine Frage. Das ist schon ein besonderes Ereignis Mutter zu werden und zu sein. Musik ist mir nahe und da hat sicher der eine oder andere Künstler Einfluss auf mich gehabt.
PV:
Weißt du noch wer das war?
AJ:
David Bowie war mein ganz großer Held in der Jugend und auch John Lennon. Beide höre ich heute immer noch regelmäßig.
PV:
Welche Bedeutung hat der Begriff Würde für dich?
AJ:
Würde ist für mich unantastbar und die Grundlage für alles.
Würde ist für mich unantastbar und die Grundlage für alles. Im Kleinen, wie im Großen. Wie ich mit Alltagsdingen umgehe, mit den kleinen Dingen, aber natürlich auch im Miteinander und im Respekt der Umwelt gegenüber. Würde und Gemeinnützigkeit sind ein Paar, für das ich mich im Endeffekt ja auch einsetze. Zum Beispiel bei der Stiftung, bei der ich bin, PATRIZIA Foundation, da geht es darum, Kindern und Jugendlichen Zugang zu Bildung zu ermöglichen und ihnen dadurch ein selbstbestimmtes Leben in Würde zu ermöglichen. Dabei wird Würde durchaus unterschiedlich interpretiert, ob das jetzt Kinder in Deutschland betrifft, in Nepal, Tansania oder Peru.
PV:
Was interessiert dich an Menschen am meisten?
AJ:
Ihre Geschichten. Die finde ich spannend. Jeder hat ja seine Geschichte, jung wie alt. Das hat mich schon als Kind fasziniert. Ich fand nichts toller, als meiner Großmutter Hermine zuzuhören, wenn die ihre Geschichten erzählt hat. Ich finde es heute immer wieder toll Menschen kennenzulernen und ihre Geschichte zu hören. Das hört nicht auf, das fasziniert mich immer wieder aufs Neue.
PV:
Sind denn deiner Meinung nach die meisten Menschen gut darin, ihre Geschichte zu erzählen?
AJ:
Manche erzählen natürlich viel zu viel. Bei anderen wiederum muss man nachfragen und genau hinhören. Manche benutzen ihre Geschichten, um etwas Großes aufzubauen, das finde ich faszinierend, besonders dann, wenn persönliches Engagement und Zielstrebigkeit viel bewirken. Großes entsteht aus ganz persönlichen Erlebnissen oder Überzeugungen heraus, nehmen wir zum Bespiel Bill Gates. Ich finde unglaublich, was der aufgebaut hat, erst unternehmerisch und dann mit seiner Stiftung. Natürlich kann man sagen: „Gut, der ist groß und damit natürlich auch Meinungsbildner.“ Trotzdem finde ich es faszinierend, was einzelne Menschen bewirken können und die einzelnen Geschichten dazu finde ich faszinierend.
PV:
Wie wichtig ist Feminismus, a) für die Gesellschaft und b) für dich?
AJ:
Die Gleichberechtigung von Frau und Mann und überhaupt die Gleich-berechtigung in der Gesellschaft ist ein enorm wichtiges Thema. Das war auch früher schon wichtig für mich. Zum Beispiel habe ich in der Erziehung meiner Tochter sehr darauf geachtet, dass ich sie als Mädchen gleichberechtigt erziehe. So habe ich z.B. darauf gedrungen, dass sie evangelisch getauft wird und nicht katholisch, weil ich damals einfach fand, dass die Stellung der Frau in der evangelischen Kirche gleichberechtigter ist als in der katholischen. Würden wir uns alle partnerschaftlich begegnen und so die Gesellschaft gestalten, könnten wir am Ende auch einen gleichwertigen und um das Wort noch mal aufzugreifen, würdevollen gesellschaftlichen Dialog führen und davon ist der Feminismus ein wichtiger Teil.
PV:
Aber noch heute leben wir in einer von Männern dominierten Wirtschaftswelt, in die Frau eigentlich erst dann zählt, wenn sie von Männern anerkannt wird. Erlebst du das anders oder genau so?
AJ:
Jeder hat ja seine Geschichte, jung wie alt. Das hat mich schon als Kind fasziniert.
Ich glaube das Wichtige ist nicht von Männern anerkannt zu werden, sondern erst einmal sich selber zu würdigen, die eigene Leistung und damit zufrieden zu sein. An welcher Stelle man dann in der Wirtschaft steht, finde ich erst im zweiten Schritt wichtig. Seinen eigenen Platz zu finden und überzeugt zu sein davon, dass man da genau richtig ist, das ist weitaus wichtiger. Ob man dabei dann berufstätig ist oder aus Überzeugung Mutter oder an einer anderen Stelle steht, ist gleichwertig. Ich glaube, dass Frauen heute eine gute Chance haben das zu finden, denn früher war das nicht möglich, weil es vorgeschrieben wurde, welchen Weg man einzuschlagen hat. Es gab ein gewisses Rollenbild, von dem abzuweichen schwierig war. Seinen eigenen Weg zu gehen entsprach einfach nicht der Zeit. Auch heute ist das System immer noch nicht gleichwertig, Männer verdienen oftmals noch mehr als Frauen, was man in den Statistiken sieht und an den Unternehmensspitzen sitzen immer noch weniger Frauen als Männer. Ich glaube aber, dass das auch eine zweiseitige Sache ist. Auf der einen Seite muss man als Frau vielleicht ein stückweit besser sein als der männliche Mitbewerber oder Kollege, aber auf der anderen Seite muss man es als Frau auch wollen. Ich glaube, dass viele Frauen ihren Weg nicht bis zum Ende gehen...
PV:
...wollen!
AJ:
Ja, wollen. Ich denke, das wird sich ändern. Die Generation unserer Kinder hat da schon eine andere Sicht auf die Dinge. Ich erlebe, da ist viel in Bewegung. Zudem stellt die ‚Generation Y‘ schon heute diese Fragen und das sind weitaus jüngere Frauen und Männer im Vergleich zu mir.
PV:
Wie wichtig ist Selbstkontrolle.
AJ:
Ich denke, dass alles was in einem gesunden Maße passiert, gut und richtig ist. Es sollte bekömmlich sein und eine gewisse Selbstkontrolle, wenn man das mit Disziplin übersetzt, bedarf es bestimmt auch an der einen oder anderen Stelle. Gerade dann, wenn man einen Weg vor sich hat, der nicht immer einfach oder gerade ist und das ist ja wahrscheinlich bei jedem so. Natürlich spielt Selbstkontrolle eine Rolle, aber es darf eben nie ins Ungesunde ausarten. Ungesund ist nicht mehr auf sich selber zu hören oder keine Gefühle mehr zuzulassen oder wenn es zwanghaft ist.
PV:
Wie wichtig sind für dich Einfluss und Macht?
AJ:
Was ich wichtig finde und schätze ist, dass ich einen Gestaltungsspielraum habe, einen Gestaltungsfreiraum, in dem ich Dinge vorantreiben kann, wo ich Themen setzen kann, wo ich mich wirklich dafür einsetzen kann, dass etwas wächst und gedeiht. Ob ich das jetzt mit Macht übersetzen würde, weiß ich nicht. Das Thema gestalten können und nicht nur in alten Schemata denken zu müssen, schätze ich sehr. Das ist sicherlich auch etwas, was ich mir bewusst suche. Wenn Macht also heißt, Möglichkeit zu haben etwas zu gestalten und Freiräume auszunutzen, dann finde ich das für mich wichtig. Aber, wenn es nur darum geht anderen zu sagen: “Du machst jetzt dies!“, dann ist es das nicht.
PV:
Jetzt steckt ja im Stiftungsmanagement das Management mit drin, erlebst du die Wirksamkeit deiner Arbeit?
AJ:
Ja.
PV:
Ist das Erleben der eigenen Wirksamkeit genauso wichtig wie die Gestaltungsmöglichkeit?
AJ:
Lernen ist eine Lebensaufgabe und jeder kann seinen Weg finden.
Ja, ja. Das finde ich sehr wichtig. Und ich finde auch wichtig, dass nicht nur ich das erlebe, sondern auch alle Beteiligten und dass das auch messbar ist. Ich habe mir ja nicht ohne Grund jetzt diese Stiftung gesucht, auch die vorherige (DKMS gGmbH), weil beide gemeinnützige Organisationen sind, die unternehmerisch geprägt sind und wo es tatsächlich ein Management gibt. Also nicht ein Verwalten von Geldern oder Projekten, sondern echtes Management und wo das Wirken auch als eine soziale Investition begriffen wird. Wo aus dem EURO, den zum Beispiel jemand spendet oder dem, der in ein Projekt investiert wird, etwas Größeres entsteht, was man auch noch beziffern kann. Das finde ich außerordentlich wichtig. Anders hätte das für mich auch keine Existenzberechtigung.
PV:
Wie oft sagst du: „Nein“, bei einer Herausforderung?
AJ:
Wenn es eine Entscheidung gibt, dann gibt es ein Ja oder ein Nein. Und daher muss man eben auch Nein sagen können.
PV:
Gibt es mehr private Stiftungen, die aus einem persönlichen Verlust heraus entstanden sind oder die, die auf dem Gedanken basieren, wer viel hat, soll auch viel an die Gesellschaft zurückgeben?
AJ:
nseren Recherchen nach ist der Hauptgrund für Menschen selber eine Stiftung zu gründen oder auch größere Geldbeträge zu geben, tatsächlich Dankbarkeit. Dankbarkeit, weil sie im Leben viel Gutes erfahren oder erreicht haben und das gerne zurückgeben möchten. Aber Dankbarkeit auch in die Richtung, dass sie gerne selber gestalten möchten durch ihre Stiftung. Gerade hinter privaten Stiftungen stehen ja oft sehr persönliche Geschichten.
PV:
Verlust kann dennoch ja auch ein Auslöser sein, oder nicht?
AJ:
Kann auch ein Auslöser sein. Oder weil man andere davor bewahren möchte, Ähnliches zu erleben, wie bei der DKMS, der großen Stammzellspenderdatei. Aber häufig ist es einfach Dankbarkeit.
PV:
Hast du jemals daran gedacht, in die Politik zu gehen?
AJ:
Also selber als Politikerin, nein. Es gab eine Zeit, da wollte ich zur Europäischen Gemeinschaft gehen, wie es damals noch hieß. Weil da Politik, Internationalität und Fremdsprachen zusammenkamen und da habe ich mir gedacht, das kannst du auch. Also habe ich mich beim Bundeswirtschaftsministerium für ein Praktikum beworben und es auch bekommen, in der Europa-Abteilung. Nach drei Monaten war ich kuriert. Dann war das Thema Politik durch. Was mich total wahnsinnig gemacht hat war: Dieses Unklare, dieses Herummanövrieren, dieses Abwägen und diese Kompromisse finden, bei denen es nicht um die Sache geht und die dann auf Machbarkeit prüfen müssen. Bis dann eine Entscheidung durch die politischen Instanzen gelaufen ist, sieht das Ergebnis völlig anders aus, als es am Anfang gedacht war. Oder es ist gar nicht mehr relevant.
PV:
Du lebst in Köln und arbeitest in Augsburg. Wie kann ich mir deinen Alltag vorstellen?
AJ:
Vor CORONA war ich jede Woche von Montag bis Donnerstag in Augsburg. Jetzt wechsele ich ab zwischen Home Office und Büro in Augsburg. Ich arbeite 80%.
PV:
Ist das gut lebbar?
AJ:
Ja. Ich muss sagen, ich bin auch mal eine Zeit lang täglich zwischen Köln und Düsseldorf gependelt. Das fand ich anstrengender als mich einmal am Anfang der Woche in den Zug zu setzen und am Donnerstag wieder zurückzufahren.
PV:
Welche Fähigkeiten braucht man, um deinen Job zu machen? Welche vorrangigen?
AJ:
Ich würde sagen, das Eine ist tatsächlich, dass man analytisch auf die Dinge gucken kann, um danach Strategien oder Konzepte erarbeiten zu können. Dabei ist es wichtig, auf das Große und Ganze zu blicken, sich aber auch vorstellen zu können, wie kann ich das runterbrechen, um es hinterher auch umzusetzen. Was man darüber hinaus braucht ist die unternehmerische Komponente, die nach Entscheidungen verlangt, die sich rechnen. Kommt genug Geld rein, wo investiere ich das Geld, wo kann ich wirksam sein und wir achten halt drauf, dass das Wachstum ausgeglichen ist. Sowohl, was unsere Zweckmäßigkeit angeht, die KinderHaus-Projekte, die wir managen, als auch auf das finanzielle Wachstum, die Mittelherkunft sowie auf die Qualität. Viel Zeit verbringe ich allerdings mit Personalführung und das ist etwas, worauf es eben auch sehr ankommt.
PV:
Welche Fähigkeiten braucht man dafür?
AJ:
Zuhören, aktiv Zuhören können. Was sagt mir der Mitarbeiter, die Mitarbeiterin und wie kann ich darauf direkt eingehen und ja, Möglichkeiten praktisch besprechen oder gemeinsam finden, herauszuarbeiten, dass der Mitarbeiter so gut weitermachen und sich entwickeln kann.
PV:
Muss man ein guter Mensch sein, um in einer Stiftung arbeiten zu können?
AJ:
Man muss immer ein guter Mensch sein. Unternehmer, die keine guten Menschen sind, werden auch nicht die Erfolge haben, vielleicht vordergründig, aber keinesfalls nachhaltig.
PV:
Glaubst du das wirklich?
AJ:
Die Gleichberechtigung von Frau und Mann und überhaupt die Gleich-berechtigung in der Gesellschaft ist ein enorm wichtiges Thema.
Es ist meine Überzeugung, dass sich nachhaltiger Erfolg, also nicht nur zahlenmäßiger Erfolg, sondern im Sinne von Qualität, Zufriedenheit und Innovation nie einstellt, wenn man kein guter Mensch sprich Unternehmer ist und wie ein solcher denkt und handelt. Wenn ich als Unternehmer nicht darauf achte, dass es meinen Mitarbeitern gut geht, wenn ich nicht darauf achte, dass es meinen Kunden gut geht, wenn ich nicht darauf achte, dass ich mich auf dem Markt gut positioniere, und das ist ja im Grunde genommen das, was einen guten Menschen ausmacht, dass man dann keinen nachhaltigen Erfolg haben wird. Auch deshalb bin ich so gespannt, was jetzt mit und nach CORONA passiert, weil ich glaube, dass man schon achtsam darauf schauen sollte, wie sich unsere Umwelt verändert, wie entwickeln sich die Bedürfnisse der Kunden, der Mitarbeiter, der Gesellschaft. Diese Veränderung wird man sehen und sie ist vielleicht das, was die Menschen jetzt auch sehen wollen, was sie fordern. Von daher glaube ich nicht, dass sich Menschen in Stiftungen davon unterscheiden. Stiftungen müssen ja genauso am Markt bestehen können. Nonprofit heißt ja nicht, dass man Miese macht, das Geschäftsmodell muss genauso stimmen wie bei allen anderen und von daher ist es eine echte Bereicherung, denn auf der einen Seite muss ich unternehmerisch auf die Stiftung gucken und auf der anderen Seite auch schauen wo ich das Geld zweckmäßig einsetze, um möglichst viel für das Anliegen zu erreichen. Das ist halt, ja, eine echte Bereicherung.
PV:
Was macht dir das Leben schwer?
AJ:
Och, da gibt es Verschiedenes. Manchmal vermisse ich das angemessene Maß an Geduld bei mir. Was ich auch gar nicht gut haben kann sind so Sprüche wie „Das haben wir aber immer so gemacht“ oder „Bei uns funktioniert das aber anders“. Und sicherlich auch Menschen, die ein vorgefertigtes Bild von etwas haben und zu denen ich keine Verbindung aufbauen kann. Die finde ich schwierig.
PV:
Hast du bei all deinem Engagement noch Zeit für dich?
AJ:
Ich versuche sie mir zu nehmen. Ich koche sehr gern, kochen ist so etwas Meditatives. Wenn ich koche, denke ich auch an nichts anderes, das finde ich wunderbar oder mich bewegen oder lesen. Das ist dann meine Zeit.
PV:
Gibt es etwas, worauf du sehr stolz bist?
AJ:
Ja, besonders stolz bin ich auf meine wunderbaren Kinder.
PV:
Wir wissen ja, dass einer alleine die Welt nicht retten kann, aber viele können durchaus etwas bewegen. Hast du einen Motivationssatz für die Menschen draußen? Für die Leser?
AJ:
Ich habe keinen fertigen Satz, das merkt man ja jetzt schon an der langen Pause, in der ich darüber nachdenke. Was mich immer wieder motiviert, auch in Zeiten der Umorientierungen und davon gab es ja genug in meinem Leben, ist: ich möchte nicht aufgeben bis ich merke, ich habe einen Platz oder etwas für mich gefunden, an/mit dem ich mich wirklich wohlfühle. Wenn man das für sich findet, dann hat man automatisch auch eine Auswirkung auf seine Umwelt, im Kleinen, wie im Großen. Das hat mich immer enorm motiviert.
PV:
Was bedeutet Glück für dich?
AJ:
Zufriedenheit.
PV:
Siehst du am Älterwerden etwas Positives?
AJ:
Ich muss mich nicht mehr nach den Erwartungen oder Ansprüchen anderer richten, sondern kann mein eigenes Leben leben. Das habe ich lernen und erfahren müssen. Ich denke, dass dieser Reifungsprozess normal ist, dass das mit zunehmendem Alter daherkommt. Und ich muss sagen, darüber bin ich unheimlich glücklich und auch dankbar, weil ich denke, wenn man älter wird und dieses Gefühl nicht hat, kann man sehr unglücklich sein.
PV:
Setzt aber ein gerütteltes Maß an Selbstreflektion voraus, nur Älterwerden reicht da nicht?
AJ:
Ja, bzw. nein, das reicht nicht. Es braucht Selbstreflektion, vielleicht auch Altersweisheit und die Erkenntnis, den eigenen Weg gegangen zu sein.
PV:
Bemerkenswert ist ja, dass du wirklich in dem Gefühl lebst, dein eigenes Leben zu leben, für das du auch viel getan hast.
AJ:
Ja, habe ich auch und das ist ja auch immer noch etwas, auf das ich achte. Das ist und war nicht immer einfach, denn seinen eigenen Weg zu gehen und das zu tun, womit man sich wohl fühlt und von dem man überzeugt ist, heißt ja manchmal auch, dass man aneckt, nicht die erwünschte Anerkennung bekommt, weil man nicht den Erwartungen anderer entsprochen hat und dazu muss man ein Stück weit auch mutig sein.
PV:
Und sich selbst die Anerkennung geben, oder?
AJ:
Ja, genau. Heute bin ich an dem Punkt, wo ich sicher weiß, das ist für mich das Entscheidende und das macht mich sehr froh.
PV:
Ist die Möglichkeit, humanitäre Ziele umsetzen zu können, das Größte für dich oder kannst du dir auch vorstellen noch mal was anderes zu machen?
AJ:
Da ich nicht weiß, was in zehn, fünfzehn, zwanzig Jahren ist, kann ich dir das nicht sagen. Im Moment bin ich zeitlich so eingebunden, und auch mit meinem ganzen Denken und Fühlen bei meiner Aufgabe, dass ich jetzt nicht die Energie hätte, noch etwas nebenher zu machen, außer mein Leben zu leben. Aber, wer weiß, vielleicht später mal.
PV:
Wenn du jungen Menschen einen Rat geben solltest, wie sie Entscheidungen für ihr zukünftiges Leben treffen können, welchen Rat würdest du geben?
AJ:
Also tatsächlich mache ich das häufig. Klar, bei meinen Kindern mache ich das natürlich, wenn ich gefragt werde, aber auch bei jungen Mitarbeitern. Ich finde es ganz wichtig, dass wirklich jeder erst mal eine fundierte, gute Ausbildung macht und versteht, dass Lernen eine Lebensaufgabe ist und dass jeder seinen Weg finden kann.
PV:
Was ist dein höchster Wert?
AJ:
Optimismus!
PV:
Möchtest du in Erinnerung bleiben und für was?
AJ:
Bei den Menschen, die mich lieben oder die ich liebe, gerne. Natürlich. Und vielleicht auch bei anderen. Da fällt mir gerade mein Tauf- und Konfirmationsspruch ein: „... Glaube, Liebe Hoffnung, diese drei, aber die Liebe ist die Größte unter ihnen“, vielleicht möchte ich dafür in Erinnerung bleiben.
PV:
Danke sehr, liebe Angelika, für das Gespräch.
AJ:
Bitte.
 
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