Thomas Kerkhoff

Rechtsanwalt

Thomas Kerkhoff ist mit Leib und Seele Anwalt. Sein Thema ist der Gewerbliche Rechtsschutz. Die Schnittstelle zwischen Recht und Werbung ist sein Ding. Hier kann er seine Leidenschaft, kreative Lösungen für seine Mandanten zu finden, voll ausleben.

PV:
​​Wollten Sie schon immer Anwalt werden?
TK:
​​
Ich wollte gern an der Schnittstelle zwischen Recht und Werbung arbeiten.
Nein, ich hatte mir überlegt, nachdem ich das Studium beendet hatte, Richter zu werden. Ich habe dann aber festgestellt, wir gehen ja im zweiten Schritt der Ausbildung durch die Referendarzeit, dass die Arbeit des Richters darin besteht, eine Akte zu bekommen und mit der Akte muss er leben. Das war mir zu wenig Gestaltungsspielraum. Deswegen habe ich gesagt, das ist nichts für mich, ich möchte der sein, der die Akte gestaltet, über die der Richter dann hinterher zu entscheiden hat.
PV:
​​​​Hatten Sie, was den Unternehmensrechtschutz angeht, ein Vorbild?
TK:
​​Nein, ich wollte gern an der Schnittstelle zwischen Recht und Werbung arbeiten und so bin ich zum gewerblichen Rechtschutz gekommen, zu den Marken, zu den Patenten, zum Design und zum Wettbewerb. Das war mein Weg, weil in diesem Rechtsgebiet immer etwas los ist, das ist bunt, da ist jeder Tag anders, das war das, was mich immer fasziniert hat.
PV:
​​Ist das eine Affinität zur Kreativität oder sind sie selber ein kreativer Mensch?
TK:
​​Das ist eine Affinität zur Kreativität, aber wenn ich nicht kreativ wäre, wäre ich auch kein guter Anwalt, denn ich muss ja Lösungen bieten. Sehr oft höre ich von Mandanten, die zu mir kommen, dass sie von einem Kollegen ein Riesengutachten bekommen haben, mit dem sie aber nichts anfangen können, das aber sehr teuer war. Das ist ja nicht das, was der Mandant möchte.
PV:
​Was möchte er denn?
TK:
Er kommt mit einer bestimmten Idee, die er umsetzten möchte und dabei muss ich ihm helfen. Natürlich gibt es dann und wann mal ein Risiko oder ein No-Go auf dem Weg, aber da ist es meine Aufgabe zu sagen, wir können es so nicht machen, aber vielleicht ein bisschen anders und das ist das eigentlich Kreative an meiner Arbeit.
PV:
​​​Das heißt, es gibt Gestaltungsspielraum, obwohl es rechtliche Rahmen-bedingungen gibt?
TK:
​​​Es gibt immer Gestaltungsspielraum. Man muss dann vielleicht einen anderen Weg gehen.
PV:
​​​Sie müssen also erfinderisch sein?
TK:
​​​Ja.
PV:
​​Was war der beste Rat, den Sie jemals gegeben haben?
TK:
​​Der beste Rat, den ich jemals gegeben habe? Da fällt mir konkret jetzt gerade keiner ein, aber es war auf jeden Fall der Rat etwas zu tun und nicht etwas zu lassen.
PV:
​​Ist das stimmig mit Ihrer Persönlichkeit?
TK:
​​Ja.
PV:
​​​Wir erleben Sie als einen sehr entspannten, aber sehr wachen Menschen. Ist das eine gute Beschreibung für Sie?
TK:
​​Das passt sehr gut.
PV:
​Der Beruf des Anwalts ist nach wie vor mit hohem Ansehen verbunden in unserer Gesellschaft. Ist das zu Recht so?
TK:
​​In Teilen. Das war sicher mal so. Als ich angefangen habe, gab es hier in Düsseldorf in meinem Bereich auf der Landgerichtsebene vier Kanzleien, die tätig waren, auf der zweiten Instanzebene drei Kanzleien und heute gibt es, was meinen Bereich anbelangt, an jeder Ecke jemanden, der Gewerblichen Rechtschutz anbietet oder zumindest meint, dass er es machen kann. Es hat sich eine unselige Abmahnindustrie entwickelt.
PV:
​​​Und trotzdem verdienen Anwälte immer noch sehr gut.
TK:
​​Im Bundesdurchschnitt nach einer Erhebung der Bundesrechtsanwaltskammer nur noch 1600 Euro brutto. Einige kommen auf 2500 Euro und nur noch 10 % der in Nordrhein-Westfalen zugelassenen Anwälte verdienen tatsächlich mehr als 4400 Euro brutto im Monat. Das sieht man an der Statistik unseres Versorgungswerks.
PV:
​​Wie kam es dazu?
TK:
​​
Wenn ich nicht kreativ wäre, wäre ich auch kein guter Anwalt.
Die Zahl der Anwälte ist dramatisch hochgegangen. Das hat zu einem enormen Überlebensdruck in der Branche geführt. Da der Kuchen immer gleich groß bleibt, hat sich mittlerweile so etwas wie eine Abmahnindustrie entwickelt, ein systematisches Durchkämmen des Internets auf Abmahnmöglichkeiten. Ich habe so einen Kollegen, gegen den ich kämpfe, der weiß genau, wenn er auf Google Shopping ein bestimmtes Produkt sucht, dann gibt es eine Schnittstellenproblematik zwischen dem Warenwirtschaftssystem des Werben-den, der den Artikel einstellt und Google Shopping und das führt dazu, dass sie in aller Regel Abweichungen von 2-3 Euro in Bezug auf das Angebot bei Google Shopping haben, das tatsächlich niedriger ist als hinterher auf der Website des Anbieters. Das wird dann abgemahnt. Im Ergebnis macht das überhaupt keinen Sinn, da hat auch keiner ein wirkliches rechtliches Interesse. Das ist reine Geldschneiderei und verzerrt das Bild der anwaltlichen Tätigkeit sehr stark. Der wirtschaftliche Druck, den viele Anwälte spüren, steigert natürlich auch die Versuchung ein Mandat anzunehmen, von dem man keine Ahnung hat. Ohne diesen Druck würde er vielleicht sagen, geh damit mal lieber zum Spezialisten.
PV:
​​​Gibt’s noch andere Bespiele?
TK:
Es war auf jeden Fall der Rat etwas zu tun und nicht etwas zu lassen.
​Heute Morgen rief mich jemand an, der markenrechtlichen Streit hat und sagte, er sei sich nicht mehr so sicher, ob der junge Kollege, den er da hätte, ihn gut vertritt. Gerade hätte das Gericht seine Sache an das zuständige Markengericht verwiesen. Da hat der junge Kollege die Klage beim falschen Gericht eingereicht. Das ist jetzt nicht riesig dramatisch, aber es zeigt, dass er keine Ahnung hat. Das haben wir nicht nur in meinem Bereich, sondern in allen Bereichen und das ist natürlich etwas, was dem Gesamtbild des Anwalts schadet.
PV:
​​​Wie finde ich denn raus, ob ich einen wirklich guten Anwalt habe?
TK:
​​Wie finden Sie raus, ob Sie einen guten Arzt haben? Das ist immer das Problem. Sie können den Leuten immer nur vor den Kopf gucken. Sie müssen fragen, wie oft haben Sie das schon gemacht? Was sind Ihre Referenzen?
PV:
​​Gespräche führen?
TK:
Der wirtschaftliche Druck, den viele Anwälte spüren, steigert natürlich auch die Versuchung ein Mandat anzunehmen, von dem man keine Ahnung hat.
​Ja, den Leuten einfach auf den Zahn fühlen. Es gibt zwar jetzt auch Fachanwaltstitel, aber selbst die sind nicht immer eine Garantie für Kompetenz. Wenn einer lange Gutachten schreibt und der Mandant hinterher immer noch nicht weiß was er tun soll, dann ist der Mann sicherlich qualifiziert, aber er liefert keine Lösungen, er liefert eine Rechtsmeinung.​ Ich weiß nicht, ob Sie den Witz über den Unternehmensberater kennen. Der trifft auch auf den Anwalt zu. Zwei Männer im Heißluftballon fliegen über einen Wald, wissen aber nicht mehr wo sie sind. Unten ist eine Lichtung, dort steht ein Mann. Also gehen Sie mit dem Ballon schnell runter auf Hörweite und rufen: „Hallo, hallo, wir haben mal eine Frage: Können Sie uns bitte sagen, wo wir sind?“ Guckt der von unten hoch und ruft: „Sie sind in einem Heißluftballon, ungefähr 20 Meter über einer Lichtung.“ Da sagt der eine im Ballon: „Komm, Ballon wieder hoch, das ist ein Unternehmensberater.“ Du stellst eine Frage, du kriegst eine präzise Antwort, aber kannst nichts damit anfangen. Und so ist das.
PV:
​​​Wohin blicken Sie, zurück oder nach vorne?
TK:
​​Immer nach vorne. Zurück ist ganz interessant, dadurch lernt man auch, aber ansonsten immer nach vorne.
PV:
​​​Erscheint Ihnen Ihre Arbeit sinnvoll?
TK:
​Ja. Erstens weil sie mir Spaß macht und zweitens, weil ich Leuten wirklich auch helfen kann.
PV:
​​​Wo steckt denn für Sie der Spaß an der Sache? Von außen betrachtet stehen Anwälte auf unglaublich dicke Bücher, was ziemlich trocken aussieht.
TK:
​​​​Das kann schon einmal etwas trockener werden, aber genau deshalb bin ich nicht Baurechtler geworden, sondern habe meinen Bereich genommen, da bleibt es immer ein bisschen spannend. Der Spaß liegt einfach darin, einen Umweg zu finden. Ein „geht nicht“ darf es eigentlich nicht geben, sondern der Spaß liegt darin nach Lösungen zu suchen. Dinge möglich zu machen, auch wenn vielleicht mal einer kommt und sagt, das funktioniert nie. Doch irgendwie geht es immer.
PV:
​​Ist das Selbstvertrauen?
TK:
​​​​Ja, ich habe viele Mandanten, die ich schon sehr, sehr lange betreue. Ich sehe das wie eine Sitzbank im Auto. Da sitzt der Lenker am Steuer und dann setzt sich jemand eine Zeit lang daneben und man lenkt gemeinsam. Das ist die Basis auf der ich arbeite, denn ich sehe mich nicht als Zuarbeiter, sondern ich setze mich mit ans Lenkrad und dann gucken wir gemeinsam wie wir das Ding geschaukelt bekommen.
PV:
​​Worauf setzen Sie im Umgang mit Klienten?
TK:
​​
Der Spaß liegt einfach darin, einen Umweg zu finden.
​Ganz wichtig ist mir, dass ich die Dinge so erkläre, dass der Mandant sie versteht. Es nutzt ihm nichts, wenn er von mir ein Gutachten bekommt und sagt, ach toll, was für schöne Worte und wie gut aneinandergereiht und ok, das ist das Ergebnis, sondern er muss die Prozesse dahinter verstehen. Er muss verstehen, warum ein Richter mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Frage mit Ja oder mit Nein beantwortet, das heißt, er muss die Mechanismen, wie das Recht funktioniert an dem Punkt wo wir sind, verstehen, nur das hilft ihm. Dann lernt er auch für die Zukunft. Also gut erklären, sodass er nicht nur weiß wie das Ergebnis lautet, sondern auch wie das Ergebnis zustande gekommen ist. Das ist das eigentlich entscheidende.
PV:
​​​Was ärgert Sie?
TK:
​​Schlamperei und schlechte Arbeit. Ich führe viel lieber einen Prozess gegen einen guten Gegner, weil ich mich da auf die wesentlichen Dinge konzentrieren kann. Wer einen schlechten Gegner im Prozess hat, muss sich mit noch so unsinnigen Argumenten trotzdem auseinandersetzen. Also da lieber einen guten Gegner, deswegen ärgert es mich, wenn jemand Dinge tut, von denen er keine Ahnung hat.
PV:
​​​​Liefern Sie eher zu 80 % Lösungen und gehen zu 20 % vor Gericht?
TK:
​​​
Irgendwie geht es immer.
​Auch ein Prozess ist eine Lösung. Manchmal eine aufgezwungene, manchmal natürlich auch eine selbstveranlasste, das geht manchmal gar nicht anders. Wenn es irgendwie geht, versuche ich einen Prozess zu vermeiden. Warum tue ich das? Es fehlt den Richtern häufig an fundierter Kenntnis dazu, wie Unternehmen funktionieren und wie die Abläufe sind. Der Richter muss sich ja in unbestimmte Rechtsbegriffe wie „unlauter“ oder „irreführend“ reindenken und sie mit Leben füllen können. Dafür sollte er oder sie aber wissen wie das richtige Leben funktioniert. Dieser Hintergrund fehlt bei vielen Richtern ganz. Das heißt, ein Prozess hat immer ein Risiko, das ich nicht kalkulieren kann. Deswegen ist es besser einen Prozess zu vermeiden.
PV:
​​​Sind Sie in Ihrem Sinne ein guter Mensch?
TK:
​​Ich versuche es zu sein. Manchmal übermannt mich aber auch für einen kurzen Moment die Boshaftigkeit.
PV:
​Könnten Sie heute schon aufhören zu arbeiten?
TK:
Das würde ich gar nicht wollen. Ich will gar nicht aufhören zu arbeiten, auch dann nicht, wenn ich altersbedingt automatisch ausscheide. Dann mache ich halt alleine noch ein bisschen weiter. Meine Erfahrung ist, wer aufhört zu arbeiten wird alt.
PV:
​​Was sind denn die Voraussetzungen, um ein guter Anwalt zu werden?
TK:
​​​Erstmal muss man sich in dem Rechtsgebiet, in dem man tätig sein möchte, gut auskennen. Man muss gut sein im Umgang mit Menschen, man muss so ein kleines bisschen verstehen, wie Menschen ticken, Menschen einschätzen können und muss dann in der Lage sein, die Menschen zu führen.
PV:
​​​​Viele Anwälte machen ihren Mandanten auch Angst.
TK:
​​​Ich sag mal so, ich muss den Mandanten mitnehmen und überzeugen, ich darf ihm keine Angst machen. Angst ist kein guter Ratgeber.
PV:
​​Also Aufklärung?
TK:
​​​​Ja.
PV:
​​​​Was würden Sie einem Jurastudenten empfehlen, der noch kein Thema hat?
TK:
​​​​Dem würde ich empfehlen, einfach mal ein Urlaubssemester zu machen, einen Aushilfsjob an den nächsten zu hängen und sich mal ein bisschen umzugucken. Und sich dann mal zu überlegen, was ihm vom Tatsächlichen her einfach Spaß macht. In die Realität eintauchen.
PV:
​​​​​​Ist es bei den Juristen ähnlich wie bei den Ärzten, dass die mit den guten Noten oft nicht die sozial Kompetentesten sind?
TK:
​​​​​
Ich setze mich mit ans Lenkrad und dann gucken wir gemeinsam wie wir das Ding geschaukelt bekommen.
​​Den Gedanken könnte man haben. Ich hatte mal einen jungen Mitarbeiter, der hatte zwei gute Examina, lag also an der Spitze der juristischen Theorie. Einmal durfte er mit dem Auto seiner Frau ins Büro kommen und fuhr dann mit dem kleinen Fiat Uno oder Panda aus der Tiefgarage raus, wo vor der Ausfahrt ein LKW versuchte, an seinen Anhänger anzukoppeln. Da stand der kleine Fiat im Weg und war dann ein bisschen verdötscht. Daraufhin kam er völlig aufgelöst zurück und sagte, obwohl alle gesagt hätten, dass es ihre Schuld sei, müsse er jetzt noch auf jemanden warten, der den Unfallbericht unterschreibt. Das konnte er nicht verstehen. Warum denn wohl? Mir war relativ schnell klar, dass da jemand gesagt hatte, „Komm, ich kopple schon einmal an, egal ob ich jetzt einen Führerschein habe oder nicht, ich kann das.“ Dass das auf der Hand lag und eine Aktion aus dem wirklichen Leben war, das wusste er einfach nicht. Da fehlte ihm der Bezug zum Leben. Und diese Leute können Sie auch nicht gut einsetzen, die sind zwar in der Lage einen theoretischen Fall zu lösen, sie sind aber nicht in der Lage jemanden zu beraten.
PV:
​​​​​​Also ist Lebenserfahrung sehr nützlich?
TK:
​​​​​​​Absolut. Ohne geht es nicht.
PV:
​​​​​Wir erleben Sie als unkonventionell für den Berufsstand an sich. Kann man als Anwalt auch sowas wie ein junger Wilder im Herzen sein?
TK:
​​​​​​​Absolut. Ja sicher. Ich mache mein Ding. Ich trag zum Beispiel keinen Anzug. Mache ich nicht mehr, außer, wenn ich wirklich mal muss. Wenn ich bei Gericht bin, dann natürlich, aber auch da häufig ohne Krawatte. Mein Kopf muss funktionieren, nicht mein Hemd gut sitzen.
PV:
​​​​​​​Sind Sie nach all den Jahren immer noch gerne Anwalt?
TK:
​​​​​​Ja, sehr gerne sogar.
PV:
​​Wie schön. Vielen Dank, Herr Kerkhoff, für das Gespräch.
 
​​​ 
https://mkrg.com/rechtsanwaelte/thomas-kerkhoff/


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