Ingo Perpeet

Zahntechnikermeister und Unternehmer

Mit Herzblut, Fingerspitzengefühl und großem ästhetischen Empfinden ist hier ein Meister seines Faches leidenschaftlich am Werk.

PV:
Herr Perpeet Sie sind Zahntechnikermeister und Unternehmer, worin liegt Ihre Leidenschaft, im Handwerk oder im Unternehmertum?
IP:
Ganz klar im Handwerk.
PV:
Wovor haben Sie den größten Respekt, vor dem Material oder vor der handwerklichen Fertigkeit?
IP:
Vor der handwerklichen Fertigkeit, weil es egal ist, welches Material ich verarbeite. Wenn ich mich reinhänge, mich festbeiße, das handwerkliche Talent habe und das Fingerspitzengefühl, dann kann ich jedes Material verarbeiten.
PV:
Worauf kommt es in der Zahntechnik am meisten an?
IP:
Präzision, Durchhaltevermögen...
PV:
Wofür braucht man Durchhaltevermögen?
IP:
Gute Zahntechnik ist in erster Linie ein Handwerk, ein Handwerk mit ästhetischem Hintergrund.
Wenn eine Arbeit extremst kniffelig ist, wie das bei einer großen komplizierten Stegarbeit der Fall ist oder etwas mit ein paar Geschieben und Teleskopen, dann ist das kein Sprint, das ist ein Marathon. Da muss man dranbleiben, so lange bis es perfekt ist, sonst wird es Murks. Da gibt es Leute, die sind schnell fertig. Das sieht man dann und am Ende funktioniert es auch nicht richtig.
PV:
Was ist noch wichtig?
IP:
Ästhetisches Empfinden.
PV:
Warum nennen Sie sich dann nicht Zahndesigner?
IP:
Es gibt sie ja, diese Dental Designer und manche Zahntechniker bezeichnen sich selbst ja als Künstler. Neee….. Gute Zahntechnik ist in erster Linie ein Handwerk, ein Handwerk mit ästhetischem Hintergrund. Aber das Handwerk steht ganz klar im Vordergrund, obwohl wir inzwischen auch viel digital machen.
PV:
Hätten Sie genau so gut Goldschmied werden können?
IP:
Ja, ich glaube schon.
PV:
Aber das hat Sie nie interessiert?
IP:
Das hat mich auch interessiert, aber da waren die Verdienstmöglichkeiten nicht so gut wie in der Zahntechnik.
PV:
Empfinden Sie die Arbeit des Zahntechnikers als sinnvoller als die eines Goldschmiedes?
IP:
Wenn Personen schlechte Zähne haben, dann zeigen die ein Vermeidungsverhalten, indem sie nicht oder nur verhalten lachen.
Unsere Arbeit hat natürlich einen gesundheitlichen Aspekt, ähnlich der Orthopädie. Aber diese Art der Bewertung will ich gar nicht vornehmen. Aber tatsächlich ist es so, wenn Personen schlechte Zähne haben oder meinen hässliche Zähne zu haben, dann zeigen die ein Vermeidungsverhalten, indem sie nicht oder nur verhalten lachen. Und wenn Sie so einer Person dann die Zähne machen, dann braucht die eine ganz Weile, um dieses Vermeidungsverhalten abzulegen. Wenn Sie die dann ein halbes Jahr später sehen, strahlt die sie von einem Ohr bis zum anderen an. Ich hatte unlängst eine Bekannte hier, die sehe ich regelmäßig und die hatte dieses Vermeidungsverhalten. Der haben wir neue Frontzähne gemacht und die lacht jetzt vollkommen anders. Sie ist ein ganz anderer Mensch.
PV:
Krass, das hat ja fast eine therapeutische Wirkung.
IP:
Lerne leiden, ohne zu klagen!
Ja, das ist richtig schön und macht auch Spaß. Wir achten zum Beispiel darauf von den meisten unserer Patienten Fotos ihrer Zähne zu bekommen, Situationsmodelle und von dem herausnehmbaren Zahnersatz fertigen wir Duplikate an. So wissen wir sehr genau wie ihr oder sein Gebiss ausgesehen hat und können jetzt sagen, okay, wir müssen den Biss drei Millimeter heben, weil der abgesunken ist durch die Abrasion. Wir heben das also drei Millimeter und dann stellen wir die Frontzähne vielleicht insgesamt vier Millimeter runter und schieben die Mitte noch ein bisschen nach links, dann stimmt das alles und dann machen wir die Anprobe und dann ist es so, dass alles reibungslos durchläuft. Das heißt, wenige Sitzungen für den Kunden, viel Zeit für neue Patienten. Und das läuft ziemlich gut...
PV:
Sie haben viele Angestellte, warum arbeiten Sie noch?
IP:
Ha, ha, der ist gut! Ich brauche noch ein paar Jahre, um den „Hof“ hier abzuzahlen. Immerhin ein Betrieb mit 1.000 qm, 20 volltechnisierte Arbeitslätze.
PV:
Sind Sie stolz auf das, was Sie geschaffen haben?
IP:
Stolz? Ich würde eher sagen, dass ich mir ein gewisses Stadium der Zufriedenheit erarbeitet habe.
PV:
Was ist die wichtigste Lektion, die Sie in Ihrem Leben gelernt haben?
IP:
Lerne leiden, ohne zu klagen! Das habe ich beim Triathlon gelernt. Ich habe drei Kunden, die machen Triathlon, und zwar ganz extrem und von denen habe ich mich überreden lassen, ihr Triathlon-Team zu sponsern. Es nannte sich Team Perpeet. Daraufhin haben die mich so lange genervt, bis ich mal eine Runde auf dem Fahrrad mitgefahren bin. Um es kurz zu machen, das Ganze hat damit geendet, dass ich mit denen zusammen den Ironman gemacht habe...
PV:
WOW!
IP:
Beim abschließenden Marathon lief ein Mitstreiter vor mir, auf dessen Shirt stand: „Lerne leiden, ohne zu klagen!“ Das, finde ich, trifft es auch hier, wenn man den Zeitdruck sieht oder die langen Arbeitszeiten und wenn man so will, auch die Selbstständigkeit, wo es entweder zu viel oder zu wenig zu tun gibt.
PV:
Sie bilden ja auch aus. Was muss ein junger Mensch an Fähigkeiten oder Eigenschaften mitbringen, um ein guter Zahntechniker zu werden?
IP:
Mir ist ganz wichtig, dass sich Leute vorstellen, die menschlich in Ordnung sind, denn wir sitzen hier den ganzen Tag nebeneinander. Dabei ist es unerlässlich auch diese deutschen Tugenden zu haben wie Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit, Fleiß, Engagement und handwerkliches Geschick. Letzteres ist eher eine Grundvoraussetzung. Ich hatte hier sogar mal einen ehemaligen Gerüstbauer, der war 26 und hat eine Umschulung gemacht. Der hatte ein unglaubliches handwerkliches Geschick, ein wahnsinniges Talent. Dem musste man nur einmal etwas zeigen und „BAM“ konnte er das exakt nachmachen. Leider hatte er nach fünf Monaten gesagt: „Ich muss wieder raus, ich halt`s drinnen nicht mehr aus!“ Ja, gut, dem kann ich auch nicht böse sei. Aber was für ein Verlust.
PV:
Eignen sich zu Ihrem Beruf Frauen besser als Männer oder umgekehrt?
IP:
Leider ja. Das wollte ich früher nicht wahrhaben, es ist aber so.
PV:
Warum?
IP:
Frauen haben meistens eine größere Kontinuität und können besser leiden, ohne zu klagen... (Allgemeines Gelächter) Das ist so. Frauen sind einfach auf lange Distanz kontinuierlicher bei der Sache. Ich habe ja inzwischen fast nur noch Frauen hier.
PV:
Haben Sie Glück gehabt im Leben oder waren Sie immer sehr tüchtig?
IP:
Ich habe richtig Schwein gehabt, würde ich sagen und bin auch sehr fleißig, so ist es nicht.
PV:
Wie überwinden sie Rückschläge, die ja in jeder Selbständigkeit immer wieder mal kommen können?
IP:
Geld verdiene ich tatsächlich dann, wenn ich mich auf meinen Hintern setze und das mache, was ich am besten kann, arbeiten!
Also, ich habe teilweise aus der Not heraus viel ausprobiert um zusätzliche Geldquellen und andere Märkte zu erschließen. Aber Geld verdiene ich tatsächlich dann, wenn ich mich auf meinen Hintern setze und das mache, was ich am besten kann, arbeiten! Und wenn es mal eng wurde, wie es ein paar mal der Fall war, dann überlege ich nicht, dann setze ich mich auf meinen Zahntechniker-Platz und fange an zu arbeiten wie ein Berserker. Ich war nie ganz raus, aber habe die Zügel wieder alle in die Hand genommen und habe das gemacht, was ich am besten kann, von morgens um 7.00 h bis abends um 21.00 handwerklich gearbeitet. Die Kunden kommen dann von selber und der Umsatz stabilisierte sich innerhalb von ein paar Monaten auf einem wesentlich höheren Niveau.
PV:
Also ist die Qualität, die Sie erzeugen, dann das Entscheidende?
IP:
Ich würde sagen Herzblut und eine unnachahmliche Harmonie. Sowohl der Zahnarzt als auch der Patient erkennen, ob da Herzblut drin ist. Ob das mit Liebe gemacht ist oder ob das irgendeiner zusammengeschustert hat, weil er Geld verdienen will. Das ist so. Man kann das sehen. Deshalb ist es auch so wichtig, die richtigen Unterlagen zu bekommen.
PV:
Kann ich als Patient zu Ihnen kommen?
IP:
Darf ich nicht. Kann ich nicht. Will ich nicht. Aber ich lerne viele neue Zahnärzte dadurch kennen, dass Patienten sagen, dass sie ihren Zahnersatz oder was auch immer von Perpeet gemacht haben wollen. Die meisten aus der Dentalbranche kennen mich oder haben den Namen schon mal gehört. Wir sind bekannt wie ein bunter Hund.
PV:
In wieweit hat der 3-D-Drucker das Handwerk verändert?
IP:
Maximal.
PV:
Erklären Sie das mal?
IP:
Ich habe mich als Vollbluthandwerker ganz, ganz lange dagegen gesträubt und immer gesagt: Nein, ich will keine Maschinen beschäftigen, ich möchte Menschen beschäftigen. Aber eines Tages haben mich zwei Mitarbeiter aus unserem furchtbar empathischen und harmonischen Labor dermaßen geärgert, dass ich am nächsten Tag zwei Mitarbeiter weniger hatte und mich fragte, wer modelliert denn jetzt das ganze Zeug? Wer gießt das? Wer arbeitet es aus? Also kamen die Scanner zum Einsatz, die ich natürlich schon da stehen und ausprobiert hatte. Heute ist es so, dass gerade der 3-D-Druck in Metall, also das Lasersintern, Passungen erzielt die ich selbst, selbst wenn ich mich anstrenge, händisch nicht mehr herstellen kann.
PV:
Ohne Übertreibung?
IP:
Es gibt keine Fehler, die ich nicht schon selbst gemacht habe.
Vielleicht kriege ich es noch hin, aber ich bräuchte im Verhältnis viel zu viel Zeit dafür. Und das Zeug ist wirklich gut. Wirklich gut! Es hat immer nur dieselben Friktionen. Es hat immer dieselbe Passung. Es stört auch immer an denselben Stellen, aber die kennt man dann schon. Man muss auf jeden Fall handwerklich nacharbeiten, aber das Ergebnis ist wirklich sehr gut. 3-D-Druck in Kunststoff dagegen ist noch nicht ganz ausgereift. Das sind Harze und Harze sind immer brüchig, die haben wenig Elastizitätsmodule, deswegen brechen die auch viel. Wir waren mal wieder mit die ersten, die so einen Drucker hatten, haben einiges gemacht, haben vieles dann noch mal auf Kulanz neu machen müssen, weil die Materialien einfach noch nicht so weit waren. Aber generell ist das nicht aufzuhalten.
PV:
Die neue Technik spart also Zeit.
IP:
Ja.
PV:
Auch Kosten?
IP:
Die Kosten verlagern sich. Wir sourcen out.
PV:
Fallen Arbeitsplätze weg?
IP:
Ich würde sagen ja. Aber dadurch, dass wir sowieso Nachwuchsmangel haben, bin ich froh, dass ich Teilbereiche der Fertigung in Zulieferhände geben kann. Sonst könnten wir den Arbeitsanfall unmöglich bewältigen.
PV:
Woran liegt das, was macht denn diesen Beruf unpopulär?
IP:
Herzblut und eine unnachahmliche Harmonie.
Es ist einfach ein sehr, sehr stressiger Job. Es ist ein schöner Beruf, eine ästhetische Arbeit, man kann am Patienten arbeiten, wenn man den richtigen Zahnarzt hat, der mitmacht, der schöne und gute Arbeit schätzt. Ich will nichts anderes machen, aber diesen Druck muss man aushalten können. Dann berichtet die Presse über Auslandszahnersatz und darüber, dass die Arbeitsplätze wegrationalisiert werden, aber das ist Schwachsinn, weil wir definitiv Leute brauchen und, zumindest bei uns, wirklich gut bezahlt wird.
PV:
Wie könnte man denn neue Anreize schaffen? Kürzere Arbeitszeiten?
IP:
Wir wirken dem Aussterben des Berufes entgegen, indem wir maximale Flexibilität ermöglichen. Stichwort „Work-Life-Balance“. Teilzeit, Vollzeit, Aushilfsbasis … alles ist möglich und durch die Größe unseres Betriebes auch arbeitsteiliges Arbeiten. Bei uns putzt kein Azubi, macht keine Botentour und bringt auch nicht den Müll raus. Die jungen Menschen möchte ich in der Zahntechnik einsetzen und möglichst schnell und gut zu Technikern ausbilden. In den ganzen Jahren ist bisher 1 Azubi durch die Prüfung gefallen …. und sorry … der hatte es auch verdient. Die meisten bleiben ein paar Jahre, bevor sie sich auch mal was anderes ansehen wollen. Mir ist keiner von uns bekannt, der nicht einen erfolgreichen Berufsweg eingeschlagen hat.
PV:
Ist das denn mit dem Nachwuchs ein Generationsproblem?
IP:
Ja, das ist so. Also ich will nicht auf die jungen Leute schimpfen. Wenn sie mal hier sind, dann ist alles gut. Aber sie kommen vielleicht erst gar nicht, wenn sie mitkriegen, unter welchem Zeitdruck wir manchmal arbeiten. Es hat sich ja schon vieles verbessert und wenn abends eine Auftragsarbeit reinkommt kann ich auch sagen, das geht nicht bis morgen früh 9.00 Uhr. Aber das geht nicht immer und nicht bei jedem. Die Auszubildenden, die bei uns lernen, ziehen ihre Ausbildung ja auch bis zum Ende durch.
PV:
Aber steigen dann oft nicht ein?
IP:
Genau, die sagen dann: „Den Scheiß Stress mache ich nicht mehr mit!“
PV:
Gibt es bei der Arbeit etwas, was Sie überhaupt nicht entschuldigen können?
IP:
Meine Meinung dazu ist: wer arbeitet, macht Fehler. Wer viel arbeitet, macht viele Fehler. Wer keine Fehler macht, arbeitet nicht viel, der ist einfach nur faul. Es gibt keine Fehler, die ich nicht schon selbst gemacht habe. Das ist mir schnuppe, da können wir einen Termin verschieben. Da wird nicht gemoppert und da braucht niemand Angst haben. Aber was ich nicht leiden kann ist der Versuch mir was unterzujubeln. Oder aus Angst vor Fehlern lieber nichts zu machen. Da werde ich unleidlich.
PV:
Wussten Sie schon immer, dass Sie Zahntechniker werden wollten?
IP:
Ich habe mit 16 mehrere Praktika gemacht und bei der Zahntechnik war für mich klar, das ist meins. Und ich wusste auch immer, ich will mich selbstständig machen. Das war von Anfang an klar. Mit 17 habe ich dann eine Ausbildungsstelle gekriegt, später die Meisterschule absolviert und danach den Betriebswirt mit Auszeichnung draufgesetzt.
PV:
Kennen Sie jemanden, mit dem Sie gerne tauschen würden, also jemand, der was ganz anderes macht?
IP:
Nee, nicht wirklich.
PV:
Haben Sie einen Rat an junge Menschen, die nicht wissen, was sie machen, woran sie sich orientieren sollen?
IP:
Also ich würde mir viel angucken, viele Praktika machen. Wenn man dann merkt, das hier ist was, dann auf das eigene Bauchgefühl hören. Wenn das Bauchgefühl sagt machen, dann machen. Ich höre immer auf mein Bauchgefühl. Es kann dann trotzdem schief gehen. Das ist nicht schlimm, dann fängt man halt noch mal von vorne an. Wichtig ist es überhaupt mal anzufangen, loszugehen, dann geht es meist weiter. Man darf auch hinfallen. Es ist nur wichtig, dass man wieder aufsteht und weitergeht.
PV:
Was schätzen Sie an Ihrer Arbeit am meisten?
IP:
Was ich schätze ist, dass ich am Ende des Tages sehen kann was ich geschafft habe. Und wenn man jemand ist, der das sichtbare Ergebnis braucht, dann ist man in einem Handwerk, wie wir es ausüben, goldrichtig.
PV:
Ist denn geistige Arbeit nur unbefriedigend?
IP:
Nicht generell, nur für jemanden, der ein haptisches Ergebnis braucht. Für den ist die Sichtbarkeit des Ergebnisses sehr befriedigend. Und es gibt so viele schöne Sachen. Letztens hatte ich einen Fliesenlegergeselle hier, selbstständig, der war mit einer solchen Passion bei der Sache, dass es mir Freude gemacht hat das zu erleben.
PV:
Gibt es bei Ihnen so etwas wie Arbeitsethik, die sich formulieren lässt?
IP:
Ja, gibt es. Meine Angestellten sind so was wie Familie und ja, wir lassen keinen hängen.
PV:
Eine letzte Frage, was halten Sie von Designerzahnbürsten?
IP:
Also, ich fände es gut, wenn sich mehr Leute die Zähne putzen würden, das wäre schön. Mit welcher Zahnbürste sie das dann tun ist mir egal. Am einfachsten elektrisch.
PV:
Vielen Dank für das Gespräch.
 
​​​ 

http://www.zahntechnik-perpeet.de

 



Weitere PassionVictims...