Boris Zbikowski

Interior-Designer, Set-Desinger und Stylist

Raumbilder zu erschaffen ist seine große Leidenschaft.

PV:
Boris, haben alle Menschen einen guten Geschmack?
BZ:
Mhmmmm. Also die Menschen, mit denen ich mich gerne umgebe, ja. Aber nein, natürlich nicht alle Menschen, denn es gibt auch Menschen mit schlechtem Geschmack.
PV:
Was ist schlechter Geschmack?
BZ:
Ich glaube, dass Geschmack nicht nur etwas rein Visuelles ist, sondern auch etwas, bei dem sich ein Gefühl einstellt. Es gibt Räume, in denen du dich wohl- fühlst und Räume, in denen du dich sehr unwohl fühlst, weil da Dinge wahl- und gedankenlos zusammengestellt wurden.
PV:
Vermittelt Schönheit dem Menschen ein gutes Gefühl?
BZ:
Ja. Schönheit kann die Seele berühren.
PV:
Arbeitest du lieber mit den Händen oder mit dem Kopf?
BZ:
Ich glaube, dass Geschmack nicht nur etwas rein Visuelles ist, sondern auch etwas, bei dem sich ein Gefühl einstellt.
Bislang geht das eine nicht ohne das andere, denn jedes Projekt, jede Idee, die ich umsetzen will, will geplant sein. Eine Wohnung oder einen Raum zum Beispiel stelle ich mir zuerst vor meinem inneren Auge aus allen Richtungen vor. Die Vorstellungskraft ist ja die Arbeit mit dem Kopf und sie findet ihre Fortsetzung in der Umsetzung mit den Händen. Das ist dann die kleinere Arbeit, der Handgriff, der fehlt. Aber wenn es um eine Arbeit wie das Töpfern geht, die Arbeit mit Ton, dann ist das eine Arbeit ohne Kopf, nur mit den Händen. Und wenn du merkst, der Ton gehorcht dir und es formt sich etwas heraus, was du gar nicht so klar im Kopf hattest, haben das deine Hände erschaffen und das macht auch sehr viel Spaß.
PV:
Was ist angesagt? Tapete oder Wandfarbe?
BZ:
Wandfarbe!
PV:
Was ist das wichtigste Organ für deine Arbeit?
BZ:
Ich würde sofort sagen, das Auge. Ja.
PV:
Warum das Auge?
BZ:
Weil ich etwas Visuelles erschaffe. Ich glaube, ich habe kein besonders gutes Wissensgedächtnis, aber ein ausgeprägtes fotografisches und ein gutes emotionales Gedächtnis. Ich sehe kleinste Veränderungen sofort, auch an Menschen. Mein Auge ist wach und ich kann mich darauf verlassen.
PV:
Man sagt, dass deine große Leidenschaft darin besteht, Raumbilder zu erschaffen, ist das so?
BZ:
Mmm ja. Das kann man so sagen.
PV:
Und das gilt für alle drei Arbeitsbereiche?
BZ:
Mein dritter Arbeitsbereich, das Gärtnern, ist noch relativ neu. Auch da ist es so, dass ich ein Bild entstehen lassen will, das durch roden oder pflanzen erreicht werden kann. Ein Bild, das aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet, neue Ein- oder Ausblicke erlaubt.
PV:
Ist Gartenarbeit befriedigender als Raumarbeit?
BZ:
Ja, weil es da noch das Eigenleben der Pflanzen gibt. Pflanzen reagieren auf Liebe, aber auch hier gibt es natürlich Missverständnisse. Dann reagieren sie so, wie ich es nicht haben möchte. Aber wenn man sie zu verstehen weiß, dann ist es ein tolles Gefühl.
PV:
Betrachtest du dich als Künstler oder Handwerker oder Konzeptionist?
BZ:
Eine häufig gestellte Frage. Die Antwort ist, dass ich mich als Ästhet sehe.
PV:
Sollen die Raumbilder, die du erschaffst, einem bestimmten Zweck folgen, einer Aufgabenstellung oder willst du damit etwas ausdrücken?
BZ:
Ich sehe kleinste Veränderungen sofort, auch an Menschen.
Einem Auftrag geht ja immer eine Aufgabenstellung voraus. Während ich mich mit dieser Aufgabenstellung, den Gegebenheiten und Möglichkeiten beschäftige, entwickeln sich eine oder mehrere Ideen dazu, die natürlich von meinem ästhetischen Empfinden und meinem Stil geprägt sind. Ich würde tatsächlich ungern eine Idee umsetzten an der ich nicht solange feilen konnte bis ich selbst damit zufrieden bin, bis jedes Detail bestimmt und aufeinander abgestimmt ist. Insofern drücke ich damit meinen Stil und meine Ästhetik aus. …und das kann durchaus eigenwillig sein. Das weiß ich.
PV:
Ist Sensibilität für deine Arbeit wichtig?
BZ:
In hohem Maße.
PV:
Wie macht sie sich bemerkbar?
BZ:
Indem ich kleinste Veränderungen wahrnehme oder vornehme, beides ist spürbar. Für manche Leute ist vielleicht der Millimeter, den ich den Stuhl noch mal rücke oder drehe, völlig durchgeknallt oder perfektionistisch...
PV:
Um was zu erreichen?
BZ:
...für die Ausgewogenheit des Bildes kann das aber von großer Bedeutung sein, dass zum Schluss alle Störer entfernt oder eingebaut sind, um das Bild zu einem wirklich interessanten Bild zu machen...
PV:
Willst du Harmonie schaffen?
BZ:
Ja, das mache ich in allen Lebensbereichen. Darüber denke ich jetzt besser nicht länger nach ;-)
PV:
Mode, Trends, Ansichten verändern sich heute so schnell wie nie zuvor, ist das hinderlich oder förderlich für deine Arbeit?
BZ:
Schon seit Jahren richte ich mich nicht mehr nach Magazinen oder Trends. Ich bin mein eigener Trendmacher.
PV:
Wo findest du noch Anregungen?
BZ:
Den ganzen Tag und überall. Das kann ein vor einer Plakatwand abgestelltes Fahrrad sein und ich denke: „Oh krass, die Farben sehen aber toll zusammen aus!“ Das kann über all sein.
PV:
Wird es in kreativen Berufen schwerer, wenn man über vierzig ist?
BZ:
In meinem ja. Ich merke, dass ich in einer Produktion mittlerweile der alte Hase bin, der die höchsten Tagessätze aufruft und deswegen vielleicht gar nicht mehr so oft gebucht wird. Aber, ich brauche mit dem Alter auch das Geld. Ich bin nicht mehr dreißig. Ich wohne auch nicht mehr in einer Wohngemeinschaft.
PV:
Hattest du zu Beginn deiner Tätigkeit Vorbilder?
BZ:
Ich bin mein eigener Trendmacher.
Ja, da gibt es vor allen Dingen die Skandinavier, wie zum Beispiel Hay, als die begonnen haben, ihre Kataloge zu machen, da fand ich ihre Farb-kombinationen, mit denen die ihre Sets gestaltet haben, wahnsinnig spannend. Auch die Produkte, wie sie die Farben auswählen und kombinieren. Es gibt einen schwedischen Set-Designer, Niklas Hansen. Er hat als Foodstylist begonnen und macht heute Sets für internationale Möbelfirmen. Sein Portfolio ist schon lange eine Inspiration für mich.
PV:
Wenn dir heute ein junger Mensch begegnet, der sagt, er möchte Interior- oder Set-Designer werden, rätst du dem zu oder ab?
BZ:
Zu, na klar. Wahrscheinlich weil mir so oft abgeraten wurde, irgendwas zu machen, was ich gerne machen wollte. Ich denke, dass man jedem zuraten muss, der eine Passion für irgendetwas hat.
PV:
Hast du eine Philosophie, die deiner Arbeit zugrunde liegt?
BZ:
Ich denke, dass man jedem zuraten muss, der eine Passion für irgendetwas hat.
Vielleicht keine Philosophie aber eine nicht unbedeutende Faustregel für meine Arbeit. Da gibt es eine Zahl, die sich immer wieder einmischt, das ist die 3, entweder im Dreieck, wie Lampen zum Beispiel in einem Raum aufgestellt sind oder wenn ich Farben miteinander kombiniere, dann sind es gerne drei verschiedene. Ich habe gerne Dreiergruppen im Bild, statt Paare oder Vierergruppen. Ja, die 3 mischt sich immer wieder ein.
PV:
Muss Einrichtung nur schön sein oder darf sie auch bequem sein?
BZ:
Die darf natürlich auch nur schön sein, aber man merkt dann selbst, dass man irgendwas zum Wohlfühlen braucht. Aber ein Warteraum beim Zahnarzt darf durchaus auch unbequem sein, dafür aber schön. Das geht schon.
PV:
Ist ein Stuhl nur zum Sitzen da?
BZ:
Auf gar keinen Fall. Statement kann er sein, Störer kann es sein, das Augenmerk kann er auf sich ziehen, Highlight kann er sein.
PV:
Würdest du Menschen gerne in eine Geschmacksschule schicken?
BZ:
Das würde ich mir die Hälfte meiner Jobs kappen, nöö, ich mag es ja von Menschen beauftragt zu werden, die selber keinen Geschmack haben, aber das zu schätzen wissen, was ich mache.
PV:
Wie hat deine Leidenschaft für Gestaltung begonnen?
BZ:
Als Teenager, als ich mich an die ersten Magazine getraut habe und die Mode-und Werbestrecken gesehen habe, die Sets, in denen Models fotografiert wurden, diese Ästhetik, dieses Licht, der Raum hat mich schon immer fasziniert und da habe ich gedacht, das würde ich gerne machen.
PV:
Was denkst du, wie wir in zehn Jahren eingerichtet sein werden?
BZ:
Das wird anders sein als heute. Heute arbeite ich persönlich gerne mit den achtziger Jahren und teilweise mit den neunziger Jahren, die schon als Vintage gelten. Wenn wir an so einem eklektischen Mix festhalten, dann wird sich der Einrichtungsstil auf alle Fälle verändern. Wir werden immer Dinge, in denen wir mal gelebt haben, wieder aufgreifen.
PV:
Wird es sich extrem verändern?
BZ:
Kann ich nicht genau sagen. Ich meine, wer hätte damals gedacht, dass es auf einmal Waschbetonböden gibt, die Flecken und Risse haben dürfen und das als schön empfunden wird. Also das Unfertige als Fertiges zu sehen. Daraus hat sich ein ganz nüchterner Stil mit Beton, gebürstetem Stahl und natürlichem Holz, spartanisch verwendet, herausgebildet und keiner hätte sich das je so vorgestellt. Auch nicht, dass dann tatsächlich Wohnungen so gebaut wurden, Häuser und Cafés.
PV:
Philippe Stark hat in einem Interview mal gesagt, in 15 bis 20 Jahren werden wir entweder stehen oder liegen, aber auf keinen Fall mehr sitzen, weil es medizinisch die schlechteste Option ist. Stimmst du zu?
BZ:
Nein. Kann ich mir nicht vorstellen.
PV:
Gibt es eine Ära, die du wirklich als die geschmackloseste empfunden hast?
BZ:
Nein, ich glaube nicht. Mit Abstand betrachtet, hatte alles seine Berechtigung und seine eigene Ästhetik.
PV:
Gibt es denn die geschmackvollste Ära?
BZ:
Das ist vielleicht ein bisschen abgegriffen, aber wenn ich an den deutschen Pavillon zur Weltausstellung 1929 denke, mit dem Barcelona-Chair von Mies van der Rohe, dann war das so anders, so mutig, so bahnbrechend und so weit vorne, dass mich das heute noch sehr fasziniert. Da war alles auf dem Punkt, von den Materialien über das Licht bis hin zur ausgewogenen Form. Und mit wenig viel zu bewirken, auch Farben einzusetzen, das beeindruckt mich so was!
PV:
Haben Geschmack und Geld etwas miteinander zu tun?
BZ:
Es gibt viel teures Design, das nicht wirklich schön ist, was sich wohlhabende Menschen aber deswegen zulegen weil sie denken, was teuer ist, ist auch schön. Also ja, es hat etwas miteinander zu tun. Da ist die gemeinsame Basis aber eher ein Irrtum. Denn auf der anderen Seite kann man nur mit Flohmarktfunden und einem Händchen dafür eine Wohnung wunderschön einrichten und sich da sehr wohl fühlen.
PV:
Gibt es eine ideale Mischung beim Einrichten?
BZ:
Eine die mir persönlich am meisten zuspricht, die ich gerne haben würde, ist eine aus Vintage, aus Neuem, aus verschiedenen Jahrzehnten, aus verschiedenen Stilrichtungen. Ja, ich denke, mir würde das am besten gefallen.
PV:
Ich sehe, du hast keine Bilder?
BZ:
Wenige Bilder.
PV:
Hat das einen Grund?
BZ:
Bevor ich mir was hinhänge, was mir nicht gefällt, habe ich lieber den Mut zur Lücke. Aber mittlerweile sind ja auch genügend Alternativen da.
PV:
Gibt es mehr schöne Teller, als schöne Bilder?
BZ:
In meiner Wohnung? Ja. Ich habe mich, weil mein Budget es bislang noch nicht so zugelassen hat, wenig mit Kunst auseinandergesetzt.
PV:
Was waren denn für deinen Geschmack die stilprägenden Faktoren?
BZ:
Bevor ich mir was hinhänge, was mir nicht gefällt, habe ich lieber den Mut zur Lücke.
Es fing in London an, mit den Clubs, den Restaurants und Cafés, die meiner Meinung nach, ich war damals Mitte 20, außergewöhnlich und neu gestaltet erschienen, mit sehr vielen dunklen Farben, Spiegeln und mit Materialien, die ich so verwendet nicht kannte. Damit habe ich mich stark beschäftigt. In meiner Jugendzeit staunte ich über die Häuser der Eltern meiner Freunde wo wir unsere Partys feierten. Meist wohlhabende Familien mit Grundstücken am Ammersee. Die Häuser, 70er Jahre Architektur, mit viel Glas, viel Holz und sehr viel Platz. Da führte zum Beispiel eine Holztreppen nach oben und dort war ein Wintergarten über dem Wohnzimmer schwebend, der komplett mit Monstera Deliciosa zugewachsen war. Drin standen ein Mega-Sofa und eine Stereo-Anlage, das war deren Musikzimmer und man guckte dann von oben über dieses Wohnzimmer und ich dachte, wie abgefahren.
PV:
Deine Wohnung ist ja auch eigenwillig.
BZ:
Ja, durch diesen Atriumwohnraum in der Mitte, die Räume rechts und links haben eine andere Deckenhöhe. Das Haus ist gerade unter Denkmalschutz gestellt worden, wegen der außergewöhnlichen Grundrisse der Wohnungen.
PV:
Wenn du Raumbilder erschaffst, geht es darum etwas Ungesehenes zu erschaffen? Oder geht es eher darum etwas Wiedererkennbares herzustellen?
BZ:
Notlösungen sind oft grandiose neue Ideen.
Genau deshalb setzte ich mich am Anfang so unter Druck und war so angespannt, wenn ich Jobs annahm. Ich habe immer gedacht, ich müsse etwas Außergewöhnliches oder Wiedererkennbares mit eigenem Stil erschaffen. Ich habe mich dabei so angestrengt, dass nichts Außergewöhnliches und Wiedererkennbares rausgekommen ist. Am Anfang habe ich mir noch nicht getraut. Seitdem ich mich auf mich verlasse, merke ich, ich habe meinen eigenen Stil und ich erschaffe da was Eigenes. Ich habe auch gelernt, ich bin einer, der mit Notlösungen sehr gut zurechtkommt und diese manchmal sogar zur Inspiration braucht. Eine Wandfarbe fällt am Set anders aus als ich sie mir habe anmischen lassen oder es ist sogar die falsche Farbe. Ich bin kurz vor der Verzweiflung weil meine geplanten Kombinationen nicht mehr spannend sind oder keine Harmonie mehr haben. Auf der Suche nach schnellen Notlösungen lege ich den farbigen Teppich aus dem nächsten Set ins Bild oder schmeiße ein paar übrige Kissen in wildem Muster aufs Sofa. Auf einmal ist die Spannung wieder da. Anders als geplant aber spannend. Notlösungen sind oft grandiose neue Ideen.
PV:
Vielen Dank, Boris Zbikowski, für das Gespräch.
 
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http://www.boriszbikowski.com

 



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